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Spekulation mit Naturkatastrophen

Versicherungen nutzen Börse zur Risikominderung Von Hermannus Pfeiffer

  • Lesedauer: 3 Min.

Naturkatastrophen», antwortet Mar tin Pieckenhagen auf die Frage des Sport-Fachblattes «Kicker», was ihn bewegt. Mit dieser Sorge steht der bisherige Torwart von Hansa Rostock nicht allein da. In den 90er Jahren richteten Stürme, Erdbeben und Überschwemmungen einen volkswirtschaftlichen Schaden von über 530 Milliarden US- Dollar an, und auch der Rückblick auf das Jahr 2000 lässt uns erschauern: «Die Zahl der Naturkatastrophen stieg auf ein neues Rekordniveau», meldet die Münchener Rückversicherung (MR). Für die Zukunft rechnet der globale Branchenführer mit einer weiter wachsenden Zahl von Tragödien und immer teureren Schäden.

Die Assekuranz stößt bei Großtechnik und Natur-Dramen in unserer postmodernen Umwelt an ihre Finanzgrenzen: Auf «nur» 500 Milliarden Dollar werden die weltweiten Eigenmittel der Assekuranz geschätzt. Dieses Kapital wäre schon verzehrt, wenn in San Francisco die Erde bebt und gleichzeitig über Florida ein Hurrikan hinweg rast. Findige Manager suchten und fanden Hilfe auf dem Kapitalmarkt mit seinen Vermögenswerten von über 40 Billionen Dollar. Mittels «Catastrophe Bonds» - kurz: Cat Bonds - übertragen Versicherer einen Teil ihrer kaum kalkulierbaren Risiken auf die Inhaber dieser Wertpapiere. Käufer der über die Börse handelbaren Cat Bonds kassieren dafür von der Assekuranz einen hohen Zinssatz von derzeit etwa zwölf Prozent per anno. Kommt es allerdings tatsächlich zu Unglücken, wird abgezinst - nach der vierten Großkatastrophe fällt der Zinssatz auf Null, und nach der fünften wird das Kapital aufgezehrt. So kann es am katastrophalen Ende für den Anleger zum Totalverlust kommen.

Globale Pionierarbeit leistete die Hannover Rückversicherungs-AG, als sie 1994 den ersten Cat Bonds platzierte. An der New Yorker Börse wurde 1996 ein Seg^ ment eingerichtet, in dem die Katastrophen-Anleihen gehandelt werden - bislang zur Zufriedenheit der Assekuranz und der Investoren: Sie können ihre Risiken nun besser mixen. Da Naturkatastrophen nicht durch Börsencrashs oder Fir menpleiten ausgelöst werden, sind Cat Bonds eine, finanzmathematisch betrachtet, sichernde Beimischung zu Aktien und anderen Wertpapieren. Nach Berechnungen der Schweizer Rückversicherung schneidet ein Portefeuille mit Cat Bonds besser ab als eines ohne - wohlgemerkt, bei gleichem (theoretischen) Risiko für den Anleger.

Die bislang größte Katastrophen-Emission platzierte im Januar dieses Jahres die Münchener Rück. 300 Millionen Dollar sammelte sie bei 30 Großinvestoren - Hedge-Fonds, Banken und anderen Versicherungen - ein. Laufzeit: drei Jahre. «Ein wichtiger Schritt zur Absicherung gegen Naturgefahren mit niedriger Eintrittswahrscheinlichkeit, aber hohem Schadenausmaß», freut sich MR-Risikomanager Manfred Seitz. Erstmals wurden bei dieser Emission auch exakte Parameter festgelegt: So muss ein Hurrikan bestimmte Luftdruckwerte unterschreiten und in genau festgelegte Küstenabschnitte in den Großräumen Miami und New York eindringen. Für europäische Stürme wur de ein Indexwert entwickelt, der aus den Windgeschwindigkeiten bei 600 Wetter Stationen in fünf Ländern berechnet wird.

Zukünftig werden immer mehr Risiken über die globalen Kapitalmärkte abgesichert werden, prophezeit MR-Boss Hans- Jürgen Schinzler. Der Gerling-Konzern schließt sich dieser Meinung an. Nach seinen Angaben lassen sich nämlich mit den traditionellen, standardisierten Versicherungspolicen nur etwa 20 Prozent aller Risiken absichern.

Für neue Strategien wie die Cat Bonds existiert also ein großer Bedarf. So bietet die Schweizer Winterthur bereits einen Cat Bonds für Autofreunde an: Bei diesem verlieren die Investoren ihr Kapital, wenn durch Hagelschlag über 6000 versicherte Wagen beschädigt worden sind.

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