Privates Oligopol statt Staatsmonopol

Die Konkurrenten der Deutschen Telekom feierten 15 Jahre Liberalisierung

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Wettbewerb auf dem Telekommarkt ist längst eine Selbstverständlichkeit. Die Vielfalt ist für den Verbraucher freilich auch mit Nachteilen verbunden.

1998 wurde das Bundesministerium für Post und Telekommunikation aufgelöst und die erst zwei Jahre zuvor gegründete Deutsche Telekom verlor ihr staatlich garantiertes Monopol für den Telefondienst in Deutschland. Damit konnten neben der Deutschen Telekom auch andere Anbieter Telefondienste vermarkten. Schon zuvor hatte das Kabinett von Helmut Kohl die Weichen gestellt, um die Bundespost von einer Behörde zu einem Privatunternehmen umzuwandeln. Im November 1996 erfolgte der Börsengang der Telekom. Die T-Aktie wurde zur Volksaktie und verschaffte der Telekom viel Geld, während sie die Anleger viel Geld kostete.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), der rund 100 Konkurrenten der Deutschen Telekom vertritt, feierte am Mittwoch in Berlin das 15-jährige Jubiläum der Liberalisierung. Dabei zog der einstige Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) eine positive Bilanz und nannte die Reform »eine einzigartige Erfolgsstory«. Auch für die Verbraucher habe diese deutliche Vorteile gebracht: »Im Inland gelten heute nur noch circa sechs Prozent der Preise gegenüber der Monopolzeit der Deutschen Bundespost«, so Schwarz-Schilling. »Bei den Auslandsgesprächen sind die Tarife um 96 Prozent gefallen.« Hinzu komme eine nie dagewesene Angebotsvielfalt.

Die Verbraucher bekamen mit der Wahl allerdings auch die Qual der unübersichtlichen Preisstrukturen, seitenlangen Fußnoten mit kleingedruckten Einschränkungen und mangelhafter Kostenkontrolle. Probleme bereitet auch eine weitere von Schwarz-Schilling als Fortschritt gelobte Entwicklung: Dass schnurlose Telefone aus Asien zwar im Laden zu kaufen waren, aber in Deutschland nicht betrieben werden durften. Mit der freien Gerätewahl kamen nämlich veränderte Zuständigkeiten. War das - erst schwarze, dann graue und schließlich grüne, rote oder weiße - Einheitstelefon gestört, rief man die Post. Ein Techniker kam und tauschte das defekte Gerät aus. Solange der Defekt nicht mutwillig herbeigeführt wurde, war dieser Dienst kostenlos. Heute wählt man stattdessen eine kostenpflichtige Service-Nummer. Aber oftmals ist das Gerät nach wenigen Jahren schon so veraltet, dass man besser gleich ein neues kauft.

Eine weitere Folge der Privatisierung: Milliardensummen an staatlicher Förderung für den Netzausbau flossen an die Telekom und ihre Mitbewerber, die ihrerseits damit Milliardengewinne eingefahren haben. Und wie so oft ging die Privatisierung zu Lasten des Personals. Aus Postbeamten mit gesicherter Pension wurden Arbeitnehmer in schwieriger Situation. Andauernde Umstrukturierungen und Konzernumbauten hielten die Mitarbeiter in Atem. Tarifkonflikte und Arbeitskämpfe folgten. Nicht nur Betriebsräte und Gewerkschaftler sahen sich mit beispiellosen Überwachungsmaßnahmen konfrontiert.

Der VATM indes hat andere Sorgen. Auch ohne staatlich garantiertes Monopol sei die Telekom immer noch Marktführer, beklagt der Verband und plädiert für eine stärkere Regulierung durch die staatliche Bundesnetzagentur. Und Ex-Minister Schwarz-Schilling warnte: Wenn am Ende nur noch einige Oligopole bestünden, sei das viel gefährlicher als ein staatliches Monopol: Die Privaten seien viel raffinierter im Ausnutzen dieser Machtstellung, als es der Staat je gekonnt habe.

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