LINKE: Senat und Bezirk haben versagt

Weder für die Flüchtlinge vom Oranienplatz noch für die Bewohner der besetzten Schule gibt es eine Lösung

  • Lesedauer: 3 Min.
Als flüchtlingspolitischer Sprecher der LINKEN im Abgeordnetenhaus begleitet Hakan Taş die seit mehr als einem Jahr andauernden Flüchtlingsproteste in Berlin. Dem Senat wirft er vor, sich lange Zeit nicht ernsthaft mit Thema auseinandergesetzt zu haben. Zu aktuellen Problemen auf dem Oranienplatz und in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg sprach mit ihm Robert D. Meyer.

nd: Noch immer gibt es keine Lösung für das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz. Bezirk und Senat schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Droht den Flüchtlingen ein weiterer Winter im Freien?
Taş: Leider ja. Bezirk und Senat haben es nicht geschafft, sich rechtzeitig über mögliche Lösungen zu verständigen und wichtige Entscheidungen zu treffen. Das von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) vorgeschlagene frühere Hostel müssten die Flüchtlinge nach einem halben Jahr wieder verlassen. Wir brauchen aber eine konkrete, dauerhafte Lösung für die Flüchtlinge vom Oranienplatz.

Wie schätzen Sie die derzeitige Situation auf dem Oranienplatz ein?
Dort leben verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Problemen. Einige Flüchtlinge sagen, dass durch den Umzug in ein Haus diese Probleme nicht gelöst werden können. Deshalb wollen sie den Protest auf dem Oranienplatz fortsetzen, da sie hoffen, dort stärker auf sich aufmerksam zu machen. Ich finde es problematisch, wenn der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Proteste einerseits begrüßt und anderseits mit dem Senat Verabredungen trifft, die den Protest infrage stellen. Die Menschen vom Oranienplatz müssen frei entscheiden können, was sie unternehmen wollen. Wenn man Verständnis für die berechtigten Forderungen der Flüchtlinge zeigt, muss man auch Verständnis für ihre Entscheidungen haben. Die bisher präsentierten Lösungen waren nicht viel wert. Den Flüchtlingen wurden Versprechungen gemacht, die bisher nicht eingehalten wurden.

Zu hören sind bisher vor allem die Vorschläge der Grünen. Geht die LINKE in der Debatte unter?
Wir wollten die Flüchtlinge nicht zu einem Wahlkampfthema machen. Das haben andere gemacht. Wir haben uns dagegen immer als Kümmererpartei und als Unterstützer verstanden. Wir waren sowohl am Oranienplatz als auch während des Hungerstreiks am Brandenburg vor Ort und haben den Flüchtlingen zugehört. Wir haben immer wieder konkrete Hilfe geleistet, nur wurden wir dabei nicht von Kameras begleitet. Wir haben die Flüchtlinge beispielsweise ins Krankenhaus gefahren und versucht, zwischen ihnen und den Kirchen Kontakt herzustellen, was am Ende auch glücklicherweise geklappt hat, wodurch die Situation entschärft werden konnte.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hält das Projekt einer selbstverwalteten Unterkunft der Flüchtlinge in der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg für gescheitert. Teilen sie diese Einschätzung?
Der Bezirk hat die schlechten Zustände in der Schule hingenommen. Man darf nicht vergessen, dass die Flüchtlinge keinen Cent in der Tasche haben und unter diesen Umständen die vielen Aufgaben einer Selbstverwaltung kaum allein bewältigen können. Das Bezirksamt hätte von Anfang an helfende Personen zur Seite stellen müssen, damit das Haus tatsächlich selbstverwaltet werden kann.

Es handelt sich also nicht nur um ein »Kommunikationsproblem« der Beteiligten, wie Herrmann behauptet?
In erster Linie ist der Bezirk für die Schule verantwortlich. Wenn Herrmann das Problem allein nicht lösen kann, muss sie diesbezüglich Gespräche mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales aufnehmen. Mir sind allerdings keine Verhandlungen diesbezüglich bekannt.

Was kann Berlin tun, um den Flüchtlingen grundsätzlich zu helfen?
Unter Rot-Rot hatten wir begonnen, die Residenzpflicht zu lockern. Daran muss weiter gearbeitet werden. Unter der jetzigen Regierung passiert nichts. Auch die von uns mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften getroffene Vereinbarung, Flüchtlingen Wohnungen zur Verfügung zustellen, wird vom Senat nicht umgesetzt.

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