Berufsverbände drohen mit Verfassungsklage

Schwarz-Rot will Marburger Bund, Cockpit & Co. in ihren Verhandlungs- und Streikrechten beschneiden

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Koalitionsverhandler sollen beschlossen haben, »den bestehenden Koalitions- und Tarifpluralismus in geordnete Bahnen zu lenken«. Das verlautete am Dienstagabend. Dazu solle der »Grundsatz der Tarifeinheit nach dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip« unter Einbindung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber festgeschrieben werden.

Bei einer solchen Regelung würde etwa bei der Deutschen Bahn nur noch die DGB-Gewerkschaft EVG verhandeln dürfen, nicht aber die kleinere, spezialisierte Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer; ähnlich verhielte es sich in Krankenhäusern, wo bislang der Marburger Bund für die Ärzte gesondert verhandelt oder im Flugbetrieb, wo bislang die Vereinigung Cockpit gesondert das fliegende Personal vertritt.

Betroffene Berufsverbände laufen bereits Sturm gegen dieses Ansinnen. »Wir werden uns nicht als Gewerkschaft zweiter Klasse behandeln lassen«, erklärt etwa Ilona Ritter, die Tarifzuständige bei Cockpit. Die Menschen müssten auch weiterhin selbst entscheiden dürfen, wer ihre Interessen vertrete. »Berufsgewerkschaften in ihrer Handlungsfreiheit einschränken zu wollen, käme einem Verbot gleich. Die Tarifpluralität ist seit Jahrzehnten erfolgreich gelebte Praxis in unserem Land.«

Marburger-Bund-Chef Rudolf Henke sieht das ganz ähnlich: »Zwang zur Tarifeinheit ist das Gegenteil von Tarifautonomie«, erklärte er. Die Pläne der Koalition liefen darauf hinaus, »die Verfassung zu verbiegen«, erklärt Henke – und legt damit einen Gang nach Karlsruhe nahe.

Erst 2010 hatte das Bundesarbeitsgericht in einem viel diskutierten Urteil befunden, dass nach herrschender Gesetzeslage nichts gegen ein Nebeneinander verschiedener gewerkschaftlicher Organisationen in nur einem Betrieb spreche. »Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen« gelten dürften, so das Gericht seinerzeit.

Selbst bei potenziellen Nutznießern einer solchen Regelung stoßen die Pläne nicht auf Zustimmung. Bei ver.di hieß es am Mittwoch beispielsweise, man lehne »jeden Eingriff in das Streikrecht« kategorisch ab. Dabei steht gerade die Dienstleistungsgewerkschaft vielfach mit Spezialverbänden in Konkurrenz und würde von einem derartigen Gesetz theoretisch profitieren.

Noch 2010 hatten DGB und der Arbeitgeberverband BDA gemeinsam für die »Tarifeinheit« gestritten. Doch nachdem sich vor allem in ver.di kritische Positionen durchgesetzt hatten, kündigte der DGB diese seltene Kampagnenpartnerschaft. Auch die Linkspartei im Bundestag warnt davor, Hand an das Streikrecht zu legen.

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