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LINKE fordert fünfjähriges Mietenmoratorium

Partei schärft wohnungspolitisches Profil/Debatte über Bündnisoptionen

  • Lesedauer: 5 Min.
Auf dem Landesparteitag in Berlin-Adlershof verabschiedeten die 170 Delegierten des Berliner Landesverbandes der LINKEN die künftige Ausrichtung der Partei in der Wohnungs- und Mietenpolitik.

Berlin. Der Landesvorsitzende der Berliner Linken, Klaus Lederer, hat seine Partei dazu aufgerufen, die Diskussion über rot-rot-grüne Bündnisse nicht bloß abstrakt zu führen, »sondern entlang konkreter politischer Inhalte«. Auf einem Landesparteitag vor 170 Delegierten in Berlin-Adlershof sagte er, es reiche nicht, »über schlechte Absichten und guten Willen« zu reden, die Linke brauche um ihrer Eigenständigkeit Willen auch Ideen und Vorstellungen, »die nicht nur in den Augen geneigter, uns wohlwollend gesinnter Menschen, sondern auch vor dem kritischen Blick einer breiteren Öffentlichkeit bestehen können«.

In der Frage, ob ein »linkes Lager« in der Gesellschaft existiere, zeigte sich Lederer skeptisch. Er habe »Zweifel, ob es dieses linke Lager wirklich gibt«. Ebenso sei es offen, »ob es eine reelle Chance gibt, dass daraus mal mehr wird«. »Das Problem bei der SPD ist doch, dass ihr nach wie vor der Willen zu einer anderen Politik fehlt.« Daran müsse auch die Diskussion in der Linkspartei orientieren. »Weder kann es darum gehen, besinnungslos in eine solche Konstellation hineinzurennen, noch darum, aus Angst vor dem Verlust der Unschuld möglichst unüberwindbare Mauern zu errichten«, so Lederer.

Er mahnte die Linkspartei zugleich, es liege an ihr selbst und ihrer inhaltlichen Stärke, »das gesellschaftliche Kräfteparallelogramm wieder etwas stärker nach links zu verschieben«. Dies sei aber »leichter gesagt als getan«. Die Partei werde auch abzuwägen haben. »Was machen wir denn, wenn wir ein gerechteres Steuersystem durchsetzen könnten, auch eine sanktionsfreie Mindestsicherung in der von uns geforderten Höhe. Aber vielleicht keinen NATO-Austritt, und nur deutliche Restriktionen für Waffenexporte, aber etwa keine Beteiligung der Bundeswehr an Kampfeinsätzen mehr? Was machen wir dann? Wie entscheiden wir uns?«, fragte Lederer die Delegierten.

Mit diesen Fragen hat die Partei in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Wie groß das Konfliktpotenzial zu Kriegseinsätzen und Außenpolitik weiterhin ist, zeigte sich in der Generaldebatte im Anschluss an die Rede des Landesvorsitzenden. »Die Positionen zu friedenspolitischen Prinzipien müssen ohne wenn und aber aufrechterhalten werden«, erklärte Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform. Zugleich signalisierte Brombacher aber auch Bereitschaft zu einer Diskussion in »Sachfragen«. Lederer begrüßte die neue Diskussionskultur. Zu gut ist noch in Erinnerung, wie noch im vergangenen Jahr die innerparteilichen Auseinandersetzungen die Partei gelähmt haben. »Es war der Stil der Auseinandersetzungen, der uns fertiggemacht hat«, betonte Lederer. Diesen Stil könne sich die Partei nie wieder leisten.

Der Landeschef der Berliner LINKEN verwies auch auf die Erfahrungen seiner Partei in der rot-roten Koalition in Berlin. »Vielleicht wäre uns mancher Fehler erspart geblieben, wenn wir auf eine Situation wie in Berlin 2001 besser vorbereitet gewesen wären«, so Lederer. Er plädiere daher auch nicht etwa deshalb für ernsthafte Vorbereitungen möglicher Bündnisse mit SPD und Grünen, weil eine solche »mein sehnlichster Wunsch ist«. Sondern die Linke müsse um ihrer »selbst Willen so gut wie möglich vorbereitet sein«.

Mit Blick auf den Landesverband sagte er, die Linke habe »in diesem Jahr in Berlin mehr hinbekommen, als wir uns anfangs selbst zugetraut haben«. Wichtige Voraussetzung dafür sei gewesen, »ziemlich kritisch und hart mit unseren eigenen Versäumnissen und Defiziten« ins Gericht gegangen zu sein. Bei der Partei sind bis Anfang November in diesem Jahr rund 400 neue Mitglieder eingetreten, insgesamt zählt der Landesverband nun etwa 7800 Mitglieder.

Auf der Tagesordnung des Parteitags stand am Sonnabend im Stadtteil Adlershof neben der umfassenden Analyse des Ergebnisses bei der Bundestagswahl auch die inhaltliche Neuausrichtung für die kommenden Abgeordnetenhauswahlen im Jahr 2016. Neben dem Schwerpunkt auf die Energiepolitik, den die Partei in den vergangenen Monaten im Zuge des Volksentscheids verfolgte, soll in Zukunft die Mieten- und Wohnungspolitik noch stärker in den Mittelpunkt rücken. Der von der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen (LAG Wohnen) erarbeitete Leitantrag »Wohnen ist Grundrecht – Programm für bezahlbares Wohnen und Berlin für alle« wurde auf dem Parteitag von den Delegierten kontrovers diskutiert. Streitpunkt war beispielsweise die Haltung der Linkspartei zum Umgang mit dem Tempelhofer Feld und dem laufenden Volksbegehren der Initiative »100 Prozent Tempelhofer Feld«.

Eine Fundamentalkritik am Leitantrag zur Wohnungspolitik formulierte der ehemalige Pankower Stadtrat Michail Nelken. »Das Problem ist, dass diese städtischen Wohnungsgesellschaften ganz normal wie Private am Markt agieren«, erklärte Nelken in Hinblick auf die von der LINKEN geforderte Stärkung der städtischen Wohnungsgesellschaften, deren Eigenkapital pro Jahr um 100 Millionen Euro gestärkt werden soll.

Auch der Vorsitzende des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, erklärte auf dem Parteitag, er habe sich für den Antrag »schärfere Formulierungen« gewünscht. Es gehe auch darum, das Drittel der Mieterinnen, die auf preisgünstige Wohnungen angewiesen sind, besser zu schützen, so Wild. »Die Zielgruppenorientierung ist im gesamten Antrag nicht klar geworden.« Wild plädierte nicht für eine Eigenkapitalförderung der städtischen Wohnungsgesellschaften, sondern für zweckgebundene Wohnungsförderprogramme. Die LINKE hatte auch Mieterinitiativen und -Organisationen zur Diskussion geladen.

Die Kritik zeigte teilweise Wirkung. In dem am Ende beschlossenen Antrag zur Mietenpolitik wurde beispielsweise per Änderungsantrag ergänzt: »Die LINKE setzt sich für ein mindestens fünfjähriges Mietenmoratorium der Bestandsmieten bei landeseigenen Wohnungsgesellschaften ein.« Bei Neuvermietungen solle allenfalls eine Höhe des Mietspiegels möglich sein. Obwohl am späten Nachmittag eine Mehrheit des Parteitages den Leitantrag zur Mietenpolitik zustimmte, geht die Debatte dazu sicher weiter. Das sei der Arbeitsstand, erklärte der Landeschef der LINKEN, Klaus Lederer. In zwei Jahren vor der Abgeordnetenhauswahl würden die Beschlüsse zur Mieten- und Wohnungspolitik sicher nochmal aktualisiert.

Ebenfalls diskutiert und mit breiter Mehrheit verabschiedet wurde auf dem Landesparteitag zudem ein Antrag, den Druck auf den Senat nach dem verlorenen Volksentscheid zur Energie weiter aufrechtzuerhalten. Die LINKE setzt sich jetzt für eine »Enquetekommision« im Abgeordnetenhaus ein. In diesem Gremium soll mit Experten und Initiativen wie dem Berliner Energietisch die zukünftige Ausgestaltung eines ökologischen Stadtwerkes diskutiert werden. Damit das zu gründende Stadtwerk am Markt bestehen kann und vernünftig ausgestattet ist, fordert die Linkspartei, 20 Millionen Euro pro Jahr für das Stadtwerk bereitzustellen. nd/mkr/tos

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