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Hausaufgaben für die politische Linke

Tom Strohschneider hat einen »Wunschzettel« für den kritischen Blog »Wirtschaft und Gesellschaft« geschrieben

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Der kritische Blog »Wirtschaft und Gesellschaft«, der von Ursula Engelen-Kefer, Heiner Flassbeck und Manfred Maurenbrecher herausgegeben sowie von dem Journalisten Thorsten Hild geleitet wird, hat mich gebeten, meinen Wunschzettel für einen politischen Adventskalender aufzuschreiben.

Vor ein paar Tagen, Union und SPD hatten sich noch nicht über eine Regierungsvereinbarung verständigt, da fühlte sich Hans-Werner Sinn mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen an Weihnachten erinnert. »Jeder schreibt jetzt seinen Wunschzettel«, wurde der Mann im »Focus« zitiert – man klebte ihm wie so oft den Titel »Wirtschaftsexperte« an. In der Tat konnte man einmal wieder beobachten, wie starke Verbände und Lobbygruppen Einfluss auf die Regierungspartner in spe ausübten – und wie diese diesem Druck nachgaben. Mal eben so auf ihren »Wunschzettel« setzten Union und SPD auch die Blockade des Parlaments, sie hebelten die verfassungsmäßige Arbeit von Ausschüssen für längere Zeit aus. Die Empörung darüber kam spät und hielt nur kurz an. Viele Zeitungen hatten auf ihrem »Wunschzettel« eher anderes: die Verteilung von Posten in der künftigen Koalition.

Was auf den »Wunschzetteln« der Millionen »kleinen Leute« steht, spielte auch in diesem Advent der Großen Koalition bisher keine große Rolle. Aber die politische Linke in diesem Land sollte sich nicht hinstellen, und mit dem Finger nur auf andere zeigen. Was im Herbst 2013 – wieder einmal – sichtbar wurde, die Selbstblockaden im Lager links der Union; das Fehlen einer so attraktiven wie alternativen Erzählung, die über die Frage hinausgeht, ob die Mietpreisbremse links oder rechts vom Fahrersitz angebracht wird; die Schwierigkeiten beim Verknüpfen von parlamentarischer Opposition und außerparlamentarischem Widerstand – all das ruft nach einem »Wunschzettel«, auf dem vor allem Hausaufgaben für die politische Linke stehen.

2014 wird ein spannendes Jahr, ein schwieriges zudem. Es wird sich erweisen müssen, ob und wie Grüne und Linkspartei die Rolle der so wichtigen Opposition gegen eine Große Koalition ausfüllen und dabei auch zum Ideengeber neuer Perspektiven werden können. Es wird sich zeigen, wie es der politischen Linken über manche Differenzen hinweg gelingt, die Kämpfe um das Recht von Flüchtlingen, gegen die von Deutschland orchestrierte Krisenpolitik der Austerität, gegen lokalen Bauunsinn und grassierenden Alltagsrassismus zu verstetigen und zu verbinden.

Es wird eine Herausforderung sein, bei Akzeptanz von grundlegenden Unterschieden jene Gespräche zwischen Parteien wieder aufzunehmen, ohne die das Rede von einer »linken Mehrheit« immer eine mediale Phrase bleiben wird. Es bleibt eine Aufgabe, in den Gewerkschaften um Deutungshoheit zu ringen gegen die Beschränkung auf einen Krisenkorporatismus und die falsche Hoffnung, eine Große Koalition werde wenigstens »den Standort« verteidigen.

Zwischen Blockupy und Bundestag, zwischen linken Gesprächskreisen und kritischer Wissenschaft, zwischen Europawahl und örtlichem Engagement gegen Rechts, zwischen Nachbarn und Kolleginnen liegt eine große Chance – die politische Linke muss sie endlich besser nutzen. Nicht indem Schwierigkeiten weggeredet und Unterschiede übertüncht werden, sondern mit einer großen Portion dialektischer Gelassenheit, die nötig ist, Widersprüche nicht als Bremsmittel zu begreifen, sondern als Antriebskraft für die Veränderung von Verhältnissen, die nach Alternativen jeden Tag schreien. Wir brauchen mehr Anfänge im Kleinen, den Optimismus der Veränderung im Alltag, die Empathie, die entsteht, wenn sich Menschen zusammensetzen und nach dem Anderen, dem Besseren suchen. Das sollte auf den »Wunschzettel« – zusammen mit der Erkenntnis, dass man auf keinen Weihnachtsmann warten darf, sondern die Dinge selbst in die Hand nehmen muss.

Der Text erschien zuerst hier.

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