Das Parlament als Museum

Der Kunstbeirat des Bundestags hat viel zu tun

  • Roland Mischke
  • Lesedauer: 3 Min.

Gibt es einen kunstästhetischen Unterschied zwischen Linken und CDU-Mitgliedern? Mögen Sozialdemokraten andere Farben als Grüne? Nach mehr als zwei Jahrzehnten als »Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages« hat Andreas Kaernbach eine klare Antwort: »Mitglieder von Parteien haben keine festgelegten Vorlieben«, sagt der Kunsthistoriker. »Vielmehr gibt es parteienübergreifend zwei Merkmale bei der Auswahl von Kunst: Viele Abgeordnete sehen in ihr einen Fluchtbereich, raus aus der täglichen Arbeit. Andere achten auf politische Themen, über die sie sich vielleicht mit Besuchern unterhalten können.«

Jeder der nunmehr 631 Abgeordneten darf die Dienste von Andreas Kaernbach und seinem Team in Anspruch nehmen. Nach der jüngsten Bundestagswahl gab es viel Arbeit. »Alles hat sich umgruppiert, auch Abgeordnete, die bereits Mitglieder des Bundestags waren, bekamen neue Räume. Und viele von ihnen haben informell bei mir angefragt, mit welcher Kunst sie ausgestattet werden könnten«, erklärt Kaernbach. »Dann erarbeite ich Vorschläge und stelle der entsprechenden Person eine Auswahl vor.« Eine andere Möglichkeit ist, Parlamentarier durch das hauseigene Depot zu führen, wo sie sich etwas aussuchen können.

Andreas Kaernbach hat zugleich die Funktion eines Sekretärs des Kunstbeirats. Er berät die Kommission und empfiehlt Ankäufe, über die abgestimmt wird. Die acht Mitglieder des Kunstbeirats, partei-paritätisch besetzt und unter Leitung des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert, bestimmen über Kunst-am-Bau-Konzepte im Berliner Parlamentsviertel und über die Auswahl von zeitgenössischen Künstlern und deren Kunstwerken bei den Ausstellungen im Kunst-RAUM des Deutschen Bundestags im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Kaernbach ist beratend tätig bei der mindestens einmal im Jahr stattfindenden Sitzung. Dort werden sämtliche Felder des Hausrechts im Reichstag und den Gebäuden um ihn herum durchgegangen. Es wird entschieden über die Aufstockung der Kunstsammlung des Deutschen Bundestags und Kunstwettbewerbe, auch die Ausstattung der Artothek, deren Nutzung allen Abgeordneten zusteht. Das Budget liegt bei vier Millionen Euro.

Es war die Sozialdemokratin Annemarie Renger (1919-2008), die 1979 die Kunstkommission im Bundestag gründete. Die emsige Politikerin war von 1972 bis 1976 Präsidentin des Bundestages, von 1953 bis 1990 gehörte sie ihm ununterbrochen an. 1995 ging die Kunstkommission im neu gegründeten Kunstbeirat auf.

Zwei Prozent der Bausumme von Parlamentsgebäuden werden in Kunstankäufe gesteckt. Gerhard Richter oder Sigmar Polke sind groß vertreten, auch Jenny Holzer, Bernhard Heisig und Joseph Beuys. Und alle Bilder und Skulpturen nur für Leute mit Hausausweis? Nein, widerspricht Kurator Kaernbach. Anderthalb Millionen Besucher besichtigen im Jahr den Bundestag. »Den Gerhard Richter sehen hier so viele Menschen wie in keinem Museum«, sagt er. Teile aus der Kunstsammlung werden im Kunst-RAUM am Spreeufer ausgestellt, gratis. Zurzeit wird der Raum erweitert, auch das Ausstellungsprogramm soll noch umfangreicher werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal