Unseliges Doppelleben

Bamberger Priester bekennt sich zu seiner Tochter - und will eine Zölibat-Debatte anstoßen

  • Kathrin Zeilmann, Bamberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Katholische Priester müssen zölibatär leben. Wie viele von ihnen ein Doppelleben führen, weiß niemand. Der oberfränkische Pfarrer Stefan Hartmann hat dieses Versteckspiel für sich beendet.

Natürlich sei seine Tochter damit einverstanden, dass er in einem Fernsehstudio von ihr erzähle, sagt Stefan Hartmann. Doch Vater darf Hartmann eigentlich nicht sein, die Tochter darf es eigentlich nicht geben: Der 59-Jährige ist katholischer Priester. Und deshalb hat er sich zu einem zölibatären Leben verpflichtet. Er hat gegen jedoch den Zwang seiner Kirche aufbegehrt und kritisiert nun den Zölibat. Beflügelt fühlt er sich durch Papst Franziskus.

Niemand kennt genaue Zahlen, wie viele Geistliche gegen den Zölibat verstoßen. Wie viele heimliche Beziehungen haben oder sogar Kinder, zu denen sie sich nicht öffentlich bekennen. Stefan Hartmann wollte keine Heimlichkeiten mehr. Vor fünf Jahren hat er seiner Gemeinde im oberfränkischen Oberhaid nahe Bamberg von seiner heute 24 Jahre alten Tochter erzählt. Die Gläubigen hätten großes Verständnis gezeigt. Nun äußerte sich Hartmann vor einer größeren Öffentlichkeit, nämlich in der Sendung »SWR-Nachtcafé«. Als »Weckruf« in der Diskussion um den Zölibat sehe er seinen Auftritt, sagt er. »Aber es tut auch mir gut.«

Seine Vorgesetzten im Erzbistum Bamberg wissen ebenfalls seit fünf Jahren, dass der promovierte Theologe Vater ist. Disziplinarische Maßnahmen habe es nicht gegeben, sagt ein Sprecher des Ordinariats. Kirchenrechtlich sei es kein dauerhafter Verstoß gegen den Zölibat wie etwa bei einer Heirat.

Den Zwang zur Ehelosigkeit hält Hartmann für einen »Anachronismus, der der Kirche schadet«. Es gebe zu wenig Männer, die Priester werden wollten. Wenn Pfarrer Kinder hätten, würde dies oft vertuscht. »Es kann so nicht weitergehen.« Große Hoffnungen setzt Hartmann auf Papst Franziskus. Es gebe die Chance, dass dieser Papst eine befreiende Wirkung auf die Kirche habe. »Ich hoffe, dass jetzt auch die Bischöfe den Mut haben, etwas zu sagen.« Wenn ein Geistlicher zölibatär leben möchte, sei dies zu akzeptieren. Aber der Zwang müsse fallen. »Die Einsamkeit in den großen Pfarrhäusern treibt viele Priester in ein Doppelleben. Das kann doch auch nicht der Weg sein.« Gerade bei reformorientierten Katholiken steht der Zölibat schon seit längerem in der Kritik. Konservative Kreise dagegen verteidigen die Regelung als katholischen Markenkern, der nicht aufgegeben werden dürfe.

Auch Bischöfe wagen sich hin und wieder aus der Deckung mit durchaus kritischen Anmerkungen zum Zölibat. So erklärte jüngst der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck: »Ich weiß also sehr wohl, dass es Priester gibt, die ihr Zölibatsversprechen nicht halten, aber trotzdem einen guten Dienst tun und von den Menschen auch so akzeptiert werden.«

2010 sorgte ausgerechnet Hartmanns Chef, Erzbischof Ludwig Schick, für Aufsehen, als er in einem Interview des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« gesagt hatte: »Ich meine, Bischöfe, Ordensleute und Domkapitulare müssen es leben. Ob jeder Pfarrer das Zölibat leben muss, ist eine andere Frage.« Doch dann wurde es wieder still um dieses Thema. Auch aus Rom von Papst Franziskus gibt es nach knapp einem Jahr im Amt noch keine konkrete Äußerung zum Pflichtzölibat. Stefan Hartmann hofft trotzdem auf eine Wende. »Es muss sich etwas bewegen.«

Seine Vaterschaft hat er notariell anerkennen lassen. Hörbar stolz erzählt er von seiner Tochter, die sich gerade beruflich in Afrika aufhalte. Er sagt: »Bei mir ist es gut ausgegangen.« dpa/nd

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