Viel Ideologie hilft wenig

Politik weigert sich, Schulen mehr Vorgaben zur Vermittlung der DDR-Geschichte zu machen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendejahre hat sich am Freitag gegen neue Rahmenlehrpläne und gegen mehr Stunden Geschichte und Politische Bildung ausgesprochen.

Handlungsempfehlungen soll die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der Nachwendejahre geben. Den Schulen soll »Hilfe bei der Umsetzung« der gültigen Lehrpläne angeboten werden, hat die Kommission am Freitag entschieden. Eine Neufassung der Rahmenlehrpläne wurde jedoch abgelehnt, ebenso der Vorschlag, mehr Unterrichtsstunden in den Fächern Geschichte und Politische Bildung zu erteilen.

»Ich traue den Schulen einiges zu. Es ist nicht notwendig, sie an die Hand zu nehmen und ihnen zu erklären: So müsst ihr es machen«, sagte der SPD-Abgeordnete Thomas Günther zu dem Ansinnen, bei der Behandlung der DDR-Geschichte mehr verbindlich vorzuschreiben. Gegen Hilfen und Hinweise habe er nichts, die Eigenständigkeit der Schulen dürfe aber nicht angetastet werden. Aus der eigenen Schulzeit habe er noch gut in Erinnerung, wie Antifaschismus vermittelt wurde. »Hier gilt nicht: Viel hilft viel«, sagte Günther.

Für die LINKE erklärte Norbert Müller, das Problem mangelnder Kenntnisse werde nicht dadurch gelöst, dass man Lehrern misstraue und dass »wir den Stundenplan weiter aufblähen«. Fraktionskollege Peer Jürgens wollte die Schüler »in Schutz nehmen vor immer längeren Unterrichtstagen«. Die Zeit sei vorbei, in der die Politik »ideologische Vorgaben gemacht hat«.

Dieter Dombrowski (CDU) und Linda Teuteberg (FDP) wehrten sich gegen die Mutmaßung, es käme ihnen auf Bevormundung an. Vielmehr hätten sie »Unterstützung« der Pädagogen im Auge. Was eine mitunter ungenügende Beschäftigung mit der jüngsten Geschichte betreffe, »finden sie im Lehreralltag dafür oft nicht genügend Zeit«, sagte Dombrowski. »Mit bösem Willen hat das nichts zu tun.« Anders dagegen der als Experte geladene Werner Weiß. »Ich kenne die Lehrer«, sagte der pensionierte Pädagoge. Noch seien viele in der Schule tätig, die ihr Geschichtsbild zu DDR-Zeiten vermittelt bekamen, hob er warnend hervor. Für den Vorschlag, Schulen explizit vorzuschreiben, dass sie »den Charakter der Diktatur nicht verwischen« dürften, warb Werner Weiß indessen vergeblich.

Zur Sprache kam die verwunderliche Tatsache, dass viele Bayern die Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück besuchen, jedoch vergleichsweise wenige Brandenburger. »Es gibt acht Mal mehr Bayern als Brandenburger«, gab der SPD-Politiker Günther zu bedenken.

Professor Ingo Juchler meint die Lösung des Rätsels zu kennen: Bayerische Schüler kommen zuhauf in die brandenburgischen Gedenkstätten, »weil sie das nicht bezahlen müssen«. Dagegen scheuten märkische Schulen den Weg, »weil sie keine Unterstützung erhalten«. Scharf wandte sich Juchler gegen das Ansinnen, die Rahmenlehrpläne nun erneut umzuarbeiten. »Sie sind in einem sehr guten Zustand. Es krankt an der Umsetzung.« Außerdem empfahl er, »die Schulen nicht über einen Leisten zu schlagen« und keine Lehrerschelte zu betreiben.

Axel Vogel (Grüne) veröffentlichte Forderungen, die über den Entwurf der Handlungsempfehlungen hinausgehen. Nach Vogels Ansicht hat sich bei den Hochschulen ein »Mangel an Lehrveranstaltungen zu den Themen Opposition, Widerstand und Repression« herausgestellt, dem mit einem »zeitgeschichtlichen Lehrstuhl« entgegenzuwirken wäre. Auch zeigte sich Vogel mit dem geistigen Gehalt vieler kleiner Heimatmuseen unzufrieden, »in denen die Auseinandersetzung mit DDR und friedlicher Revolution bisher vermieden oder stark verkürzt wurde«. Misstrauen hegt Vogel auch gegenüber der Landeszentrale für politische Bildung. Die hätte er gern überprüft »im Hinblick auf DDR-Geschichte und friedliche Revolution«. Die Zahl der Publikationen zu diesem Thema erscheint Vogel »gering«.

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