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Alte Rechnungen und neue Aufgaben

Die LINKE erlebt eine Kampfkandidatur um den Posten des Landesgeschäftsführers

Am kommenden Wochenende stellt die LINKE ihre Landesliste für die Landtagswahl auf und sie wählt einen neuen Landesvorstand.

Bislang bewirbt sich nur der designierte Finanzminister Christian Görke (LINKE) als neuer Landesvorsitzender. Auch bei der Wahl seiner vier Stellvertreter und seines Schatzmeisters deutet sich bisher keine Kampfabstimmung an. Dagegen sah es bis jetzt so aus, als müsste sich Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige bei dem Parteitag am kommenden Sonnabend mit dem weitgehend unbekannten Jan Hanisch messen, wenn sie Geschäftsführerin bleiben will.

Die Kreisverbände und die Basisorganisationen »müssen stärker in Personalfindungsprozesse eingebunden werden«, erklärt Hanisch in seiner Bewerbung. Johlige betont in der ihrigen: »Mir ist jede Anfrage, jede Anregung und auch jedes kritische Wort wichtig und ich habe versucht, allen, die sich an mich gewendet haben, schnell und umfassend zu helfen.«

Es schien so, als müssten sich die Delegierten zwischen diesen zwei Genossen entscheiden. Doch nun meldete sich mit Bernd Sachse ein weiterer gewichtiger Bewerber. Sachse war kürzlich noch Kreisvorsitzender in Märkisch-Oderland und bis zur Bundestagswahl im September Wahlkreismitarbeiter der Abgeordneten Dagmar Enkelmann. Nun sucht er eine neue Herausforderung.

In Parteikreisen kursieren deswegen einerseits Mutmaßungen, Bernd Sachse sei vorgeschickt, um alte Rechnungen mit Christian Görke zu begleichen, weil er Fraktionschefin Kerstin Kaiser abgelöst hatte. Andererseits ist bei einigen Genossen die Rede von Unzufriedenheit mit Landesgeschäftsführerin Johlige. Oder es wird ganz allgemein gezweifelt, ob es Doppelfunktionen in Partei und Fraktion geben sollte.

Christian Görke ist als Parteichef, Finanzminister und Spitzenkandidat vorgesehen, Johlige kandidiert erstmals für den Landtag. Genannt werden in solchen Überlegungen auch Umweltministerin Anita Tack und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers, die gleichzeitig Landtagsabgeordnete sind und auch wieder für den Landtag kandidieren. Beide haben versichert, dass sie sich in Zukunft an die Beschlüsse zur Trennung von Amt und Mandat halten werden. Aber nicht jeder Genosse will ihnen das heute glauben.

Görke und Johlige gehören zu den Befürwortern einer Trennung von Amt und Mandat. Insofern ist die Gemengelage unübersichtlich. Politische Vorstellungen und persönliche Befindlichkeiten überlagern sich hier. Eine Landtagsabgeordnete Johlige, die ihre Aufgaben als Landesgeschäftsführerin nur noch ehrenamtlich - also unbezahlt - erledigt, wäre ein Sparmodell. Angesichts eines beständigen Mitgliederschwunds, der sich aus der Überalterung des Landesverbands erklärt, ist die LINKE zum Sparen verdammt. Die SPD verfährt bei ihrer Landesgeschäftsführerin Klara Geywitz nicht anders. Trotzdem hegen einige Sozialisten Bedenken gegen eine ehrenamtliche Geschäftsführerin - wobei Johlige am 14. September erst einmal in den Landtag einziehen müsste.

Während in dieser Frage offiziell vieles unausgesprochen bleibt, wurde vor rund anderthalb Wochen in Finsterwalde Tacheles geredet. Bei der Benennung eines Vorschlags für die Landesliste und bei der Nominierung der Direktkandidaten für die zwei Wahlkreise in Elbe-Elster kam es zu heftigsten Auseinandersetzungen und unschönen Szenen. Augenzeugen berichten von Unterstellungen und Beleidigungen, die unter die Gürtellinie gingen. Buhrufe und höhnisches Gelächter wechselten sich demnach ab. Das Treiben einiger Kontrahenten soll bis zu der Drohung gegangen sein, sich anzuspucken. Wieso?

Zu Scharmützeln war es bereits vor der Landtagswahl 2009 gekommen, als sich der Kreisverband Elbe-Elster entscheiden musste, ob er den Kreisvorsitzende Joachim Pfützner oder die Landtagsabgeordnete Carolin Steinmetzer-Mann für einen vorderen Platz auf der Landesliste vorschlägt. Steinmetzer-Mann setze sich damals durch. Nun ging es zwischen Steinmetzer-Mann, die in ihrem Wahlkreis eine Mehrheit der Genossen hinter sich weiß, und Diana Bader, der Favoritin des Kreisvorstands. Das Ergebnis nach Kampfabstimmungen und großem Aufruhr: Steinmetzer-Mann und Pfützner sind die Direktkandidaten, Bader soll auf die Landesliste.

Derart schwere Zusammenstöße soll es bei den Nominierungen nirgendwo sonst gegeben haben. Zu Streit kam es zwar auch anderswo. Dort verlief dem Vernehmen nach jedoch alles in sachlicher Atmosphäre.

In der südlichen Niederlausitz muss die Nominierung eines Direktkandidaten allerdings wegen eines fehlerhaften Stimmzettels wiederholt werden. Der männliche Bewerber Andreas-Paul Mekelburg hatte hier 15 Stimmen erhalten, die weibliche Bewerberin Birgit Kaufhold 13 Stimmen. Außerdem gab es zwei ungültige Stimmen. Bei korrekter Anwendung der Wahlordnung hätte einer der beiden Kandidaten oder die Rubrik Enthaltung angekreuzt werden können. Der fehlerhafte Stimmzettel sah aber hinter beiden Namen die Varianten »Ja«, »Nein« und »Enthaltung« vor, erläutert Kreisgeschäftsführer Christopher Neumann das Ungeschick.

Angesichts des knappen Ausgangs bei der ersten Wahlrunde dürfte die zweite Runde spannend werden. Die Entscheidung soll am 23. Januar um 18 Uhr im Spremberger Hotel »Zur Post« fallen. Es handelt sich um den früheren Wahlkreis der Landtagsabgeordneten Birgit Wöllert, die im September in den Bundestag eingezogen ist und deshalb nicht erneut für den Landtag kandidiert.

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