Jurist auf der Anklagebank

Xu Zhiyong ist Chinas Führung als Mitkämpfer offenbar nicht genehm

  • Detlef D. Pries
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Aufgabenheft des chinesischen Partei- und Staatschefs Xi Jinping steht der Kampf gegen die Bestechlichkeit seiner Genossen ganz vorn. Schließlich hatte ihn sein Vorgänger Hu Jintao 2012 gewarnt: Wenn es nicht gelinge, die Korruption in den Griff zu bekommen, drohe der »Kollaps von Partei und Staat«. Und Xi schien die Warnung ernst zu nehmen: Spitzenfunktionäre blieben von härtesten Strafen nicht verschont.

In Xu Zhiyong sollte Xi eigentlich einen Verbündeten sehen. 1973 in der Provinz Henan geboren und nach einem Jurastudium in Lanzhou 2002 an der Peking-Universität zum Doktor der Rechtswissenschaften promoviert, fordert Xu die Offenlegung der Vermögensverhältnisse von Regierungsmitgliedern. Für die von ihm gegründete »Bewegung der neuen Bürger« setzt jeder wirksame Kampf gegen Korruption solche Transparenz voraus.

Doch am Mittwoch stand Xu Zhiyong wegen der »Organisation einer Menschenmenge mit dem Ziel der Störung der öffentlichen Ordnung« vor dem Mittleren Volksgericht im Pekinger Westen. Nach Angaben seines Anwalts schwieg Xu während der sechsstündigen Verhandlung, die er als »Schauspiel« bezeichnete. Ein Urteil wird später verkündet, bis zu fünf Jahren Haft sieht das Gesetz im Falle eines Schuldspruchs vor.

Das staatliche Fernsehen hatte Xu noch 2002 zu den »Top Ten Juristen« Chinas gezählt. Als er für die Opfer von verseuchtem Milchpulver eintrat, erfuhr der Anwalt großes Lob, und 2003 wurde er als Unabhängiger in die Volksvertretung des Pekinger Stadtteils Haidian gewählt. Doch schon 2009 wurde der Mitbegründer der Verfassungsinitiative Gongmeng verhaftet und der Steuerhinterziehung beschuldigt. Damals soll Barack Obama seine Freilassung auf Kaution erwirkt haben. Für die neuerliche Anklage haben Chinakenner zwei Erklärungen: Die Führung unterbinde eben jede organisierte Kritik und Xi Jinping sehe seine Macht noch nicht so gefestigt, dass er Xu und die »neuen Bürger« als Verbündete akzeptieren könnte.

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