Das Urteil in der Ferne

Gericht spricht heute Entscheidung im Mordprozess um Amanda Knox

  • Ella Ide, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Spannung wird das für heute anstehende Urteil im Mordfall Meredith Kercher erwartet. Die Angeklagte Amanda Knox bleibt dem Prozess in Italien fern und erwartet den Richterspruch in den USA.

Meredith Kercher wurde durch Messerstiche getötet - viel mehr ist nicht zweifelsfrei bekannt über den mysteriösen Mord an der britischen Austauschstudentin, die 2007 in einer Wohngemeinschaft im italienischen Perugia umgebracht wurde. Wie genau die brutale Tat ablief, wer wirklich daran beteiligt war, ob möglicherweise die Falschen bestraft wurden - Klarheit darüber soll das für Donnerstag erwartete Urteil eines Gerichts in Florenz bringen. Für Amanda Knox ist es das vierte Urteil in sechs Jahren, vielleicht aber nicht der letzte Termin in einer juristischen Endlossaga. Selbst anwesend sein wird die Angeklagte nicht.

Die US-Studentin und ihr damaliger Freund Raffaele Sollecito müssen sich seit September erneut wegen Mordes verantworten. Sie waren 2010 schon einmal schuldig gesprochen worden, sollten für 26 und 25 Jahre ins Gefängnis. Doch 2011 kamen sie nach insgesamt vier Jahren Haft durch ein Berufungsurteil frei. Knox kehrte in die USA zurück, bevor das Oberste Gericht Italiens im März 2013 anordnete, dass das Verfahren wegen diverser Widersprüche und Unzulänglichkeiten neu aufgerollt werden müsse. Auf der Anklagebank Platz nehmen wird Knox nicht. Die Verdächtige will ihr Heimatland nicht mehr verlassen. Aus Furcht, »unschuldig verurteilt« zu werden, »weil die Vehemenz meiner Ankläger Eindruck bei Ihnen hinterlassen könnte«, so Knox in einer E-Mail an das Berufungsgericht in Florenz. Sie sei jedenfalls »kein Monster«.

Wer ist also verantwortlich dafür, dass Meredith Kercher in der Nacht zum 2. November 2007 die Kehle durchgeschnitten wurde? Hinter Gittern sitzt derzeit nur der Drogendealer Rudy Guede, dessen DNA am Tatort gefunden wurde. Ermittlern zufolge weisen die Stichwunden jedoch stark darauf hin, dass es mehr als einen Täter gab. Die Staatsanwaltschaft vertrat von Anfang an die These, Kercher sei Opfer einer außer Kontrolle geratenen Sex-Orgie geworden. Guede habe die Studentin vergewaltigt, zugestochen aber hätten Knox und Sollecito. Die mutmaßliche Tatwaffe wurde in einer Küchenschublade in Sollecitos Wohnung gefunden.

Eine erste Untersuchung stellte DNA-Spuren von Knox am Messergriff und von Kercher auf der Klinge fest. Ein dritter, ursprünglich dem Opfer zugeordneter DNA-Rest ist nach Ansicht der Verteidigung zu schwach, um belastbare Ergebnisse zu bringen. Schuld an der schwierigen Beweislage ist wohl auch die Polizei. Denn Videoaufnahmen belegen, dass schludrige Ermittler am Tatort höchstwahrscheinlich Spuren verwischten. Die Staatsanwaltschaft bezichtigte Knox, sie habe ihre und Sollecitos genetischen Fingerabdrücke sorgsam entfernt - eine von den Verteidigern ins Lächerliche gezogene Hypothese, da Knox wohl kaum einige DNA-Spuren am Tatort habe beseitigen, die von Guede aber intakt lassen können.

Doch auch die Angeklagte selbst verstrickte sich in Widersprüche. So bezichtigte sie fälschlicherweise den kongolesischen Barbesitzer Patrick Lumumba des Mordes an Kercher. Erst nach zweiwöchiger Inhaftierung Lumumbas wurde dieser Vorwurf entkräftet. epd/nd

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