Steuerdebatte und hektischer Aktionismus

Bund und Länder verlangen schärfere Regeln für Selbstanzeigen / Kritik am CDU-Bundesschatzmeister nimmt zu

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Debatte um Steuerbetrug und Selbstanzeigen zieht Kreise. Bohrende Nachfragen muss sich der CDU-Politiker Linssen gefallen lassen. Das Finanzministerium verspricht umgehendes Handeln.

Berlin. Bund und Länder wollen rasch die Vorgaben bei Selbstanzeigen bei Steuervergehen verschärfen. Eine komplette Abschaffung der Regelung lehnen aber sowohl das Bundesfinanzministerium als auch Länderminister ab. Die Opposition erneuerte derweil am Mittwoch ihre Kritik am Verhalten des CDU-Bundesschatzmeisters Helmut Linssen. Die Angaben des früheren nordrhein-westfälischen Finanzministers zu lange zurückliegenden Geldgeschäften in Steueroasen reichten nicht aus. »Ob Briefkastenfirmen auf den Bahamas oder in Panama ein akzeptables Betätigungsfeld für den Bundesschatzmeister einer demokratischen Partei sind, darf man wohl mit Fug und Recht bezweifeln«, sagte SPD-Bundesvize Ralf Stegner zu »Spiegel online«.

Linssen selbst beteuert, er habe gar keine Gewinne erzielen wollen. »Ich habe es gezielt so abgewickelt, dass ich keine Steuern zahlen musste«, sagte er dem Portal »Handelsblatt Live«. Erst nach dem Tod seines Vaters habe er von dem Konto in Luxemburg erfahren, seine Mutter habe auf dem Verbleib des Vermögens im Ausland bestanden. Er habe daraufhin die »teuerste Lösung gewählt, die am Markt war, um garantiert keinen Gewinn zu erzielen«.

Einem Bericht des »Stern« zufolge soll der 71-Jährige zwischen 1997 und 2004 bei einer Luxemburger Bank mehrere hunderttausend Euro zugunsten und zulasten einer Briefkastenfirma eingezahlt und abgehoben haben. Die Firma habe auf den Bahamas, später in Panama ihren Sitz gehabt. Ein Strafverfahren gegen Linssen sei 2012 eingestellt worden. Er habe aufgrund von Verjährungsfristen aber nur die Zinserträge von 2001 bis 2005 nachweisen müssen.

Der Chef der Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, hielt Linssen in der »Mitteldeutschen Zeitung« vor: »Wer sein Geld in Steueroasen parkt, hat in aller Regel etwas zu verbergen.« Die Vizechefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, forderte, Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisteten, die Lizenz zu entziehen.

Die SPD dringt nach den jüngsten Bekanntwerden von Steuervergehen auf eine weitgehende Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige. Zudem sei die übliche Strafbefreiung bei Selbstanzeige »ein Relikt feudaler Gesinnung«, erklärte Stegner der »Frankfurter Rundschau. «Das schützt in der Tendenz die Reichenkriminalität.» Durch den Aufkauf von Steuer-CDs aus der Schweiz und gestiegenem Verfolgungsdruck sei die Selbstanzeige ohnehin überflüssig geworden. Bei den meisten Steuerbetrügern, die sich dem Fiskus offenbarten, könne man zudem «nicht von Reue reden, sondern von Angst vor dem Knast», sagte Stegner der Zeitung.

Das Bundesfinanzministerium wies die sozialdemokratischen Vorschläge umgehend zurück. «Wir haben Steuerhinterziehern die strafbefreiende Selbstanzeige schon 2011 schwerer gemacht und wollen sie weiter einschränken», sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Meister (CDU), der «Bild»-Zeitung. «Statt hektisch Forderungen zu stellen, sollten wir jetzt die gemeinsamen Verabredungen umsetzen.» Vorschläge für schärfere Regeln wie längere Verjährungsfristen liegen bereits vor. Im März beraten darüber zunächst die Länder. Danach könne der Bund sehr schnell ein Gesetzgebungsverfahren einleiten, erklärte das Finanzministerium in Berlin. Das am Widerstand der Länder im Bundesrat gescheiterte Steuerabkommen mit der Schweiz kann jedoch nicht neu aufgelegt werden. Fristen seien abgelaufen, Steuerstraftaten verjährt und vereinbarte Nachzahlungen hinfällig. Deshalb könne das Abkommen nicht mehr eins zu eins aus der Schublade gezogen werden. dpa/nd Kommentar Seite 4

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