Der Arbeitsort ist im Arbeitsvertrag geregelt

Wenn Mitarbeiter ohne vorherige Absprache versetzt werden

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Streitfall: In den Arbeitsverträgen von etwa zehn Mitarbeitern - in diesem Fall ist das die Hälfte der Gesamtmitarbeiterzahl - steht als Dienstort X. Nun verlegt der Arbeitgeber den Dienstort in den nächsten drei Monaten nach Y. Eine vorherige Absprache mit den Mitarbeitern oder dem Betriebsrat hat es nicht gegeben. Ein Sozialplan existiert in dem Unternehmen auch nicht. Welche Ansprüche kann man als Arbeitnehmer in einem solchen Fall geltend machen?

In der Online-Rechtsberatung der Deutschen Anwaltshotline antwortete darauf Rechtsanwalt Thomas Nolting:

Nach § 106 der Gewerbeordnung (GewO) kann der Arbeitgeber unter anderem den Ort der Ausübung der Tätigkeit bestimmen, wenn nicht im Arbeitsvertrag etwas anderes geregelt ist, was im vorliegenden Streitfall der Fall ist.

Zu der Frage der Versetzung eines Arbeitnehmers sind einige Entscheidungen der Arbeitsgerichte ergangen. Tenor war im Wesentlichen, dass eine Versetzung dann möglich ist, wenn die Möglichkeit der Versetzung entweder im Arbeitsvertrag vorbehalten ist (trifft in diesem Fall nicht zu) oder zum Arbeitsort in dem Arbeitsvertrag keine Regelung getroffen wurde. Im strittigen Fall wurde allerdings der Arbeitsort festgelegt.

In diesem Fall bleibt dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit einer Änderungskündigung, also einer Kündigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses verbunden mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages.

Eine Änderungskündigung wiederum muss sich am Kündigungsschutzgesetz (KSchG) messen lassen. Das KSchG ist im vorliegenden Fall anwendbar, da der Betroffene länger als sechs Monate beschäftigt war und der Betrieb über mehr als zehn Arbeitnehmer verfügte.

Der Arbeitgeber muss vortragen und belegen können, dass es ein dringliches betriebliches Bedürfnis für die Kündigung gibt. Darüber hinaus muss eine Sozialauswahl stattfinden.

Bei der Verlegung des Betriebssitzes oder eines Betriebsteils besteht daher für den Arbeitgeber eine gute Chance, die Änderungskündigung auch vor dem Arbeitsgericht zu verteidigen. Es sei denn, es ist nachweisbar, dass die der Kündigung zugrundeliegende unternehmerische Entscheidung willkürlich getroffen wurde.

Eine »bloße« Versetzung ist also in diesem Fall nicht möglich. Vielmehr muss der Arbeitgeber aufgrund der klaren Regelungen in dem Arbeitsvertrag eine Änderungskündigung aussprechen, wobei diese »durchgehen« dürfte, wenn die unternehmerische Entscheidung darstellbar ist.

Was mögliche »Vergünstigungen« wie Jobticket etc. angeht, so besteht darauf grundsätzlich kein Anspruch. Es sei denn - und unter diesem Vorbehalt stehen sämtliche Ausführungen -, es existiert eine entsprechende tarifvertragliche Regelung oder eine Betriebsvereinbarung.

Der angesprochene Sozialplan muss bei der Änderungskündigung, die bei Betriebssitzverlegung nur eine betriebsbedingte sein kann, erstellt werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal