Aufregung

Maxim Biller sieht die deutsche 
Literatur als todkranken Patienten

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Er hat an die 20 Bücher veröffentlicht - am bekanntesten wurde der Roman »Esra«, weil es darum einen langen Rechtsstreit gab (eine frühere Partnerin des Autors glaubte, sich in einer Romanfigur wiederzuerkennen). Außerdem ist Maxim Biller »Kolumnist«, so talentiert, dass man seine Texte regelmäßig in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« lesen kann. Sein polemischer Artikel »Letzte Ausfahrt Uckermark«, in dem er den desolaten Zustand der deutschen Literatur beklagt, erschien in der jüngsten Ausgabe der »Zeit«, die damit wohl eine Literaturdebatte loszutreten trachtete. Dietmar Dath hat sich in der »FAZ« dazu auch schon großformatig-intelligent zu Wort gemeldet.

Bloß was hat die Uckermark damit zu tun? Dort wohnt Botho Strauß, den Maxim Biller nicht mag, und Saša Stanišic, den er gut leiden kann, hat seinen jüngsten Roman in dieser Gegend angesiedelt. Was Maxim Biller dann doch missfällt, weil er Stanišics Thema im jugoslawischen Bürgerkrieg sieht. Auch von Autorinnen wie Marjana Gaponenko und Zsuzsa Bank hätte er erwartet, dass sie ihre »Immigrantenbiografie« in ihren Texten mehr als bloß »durchscheinen lassen«.

Direktiven für Autoren und Kritiker? Sowas hat noch nie gefruchtet. Maxim Biller, 1960 als Kind russisch-jüdischer Eltern in Prag geboren, fährt schwere Geschütze auf: Die Enkel der Nazi-Generation würden bestimmen, was gelesen wird. Das dürfte Verleger mit jüdischen Wurzeln ziemlich irritieren. Marktorientiertheit kann man beklagen, aber was wäre die Alternative? Ein inhaltliches Reglement? Maxim Biller - ringt er um Aufmerksamkeit für sich? - hat insofern recht, dass die deutsche Literatur gerade jetzt einen Zustrom von Schreibenden erfährt, deren Eltern anderswo geboren sind. Den von ihm genannten Namen könnte man viele weitere hinzufügen. Neben Saša Stanišic ist die großartige Katja Petrowskaja für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Wo ist da der »kalte, leere Suhrkamp-Ton« (Biller)? Die deutsche Literatur liegt nicht im Sterben, gestorben wird anderswo.

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