EU erwägt Sanktionen gegen Russland

Moskau verteidigt massive Militärpräsenz auf der Krim / Steinmeier: Schärfste Krise seit dem Mauerfall in Europa

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Berlin. Als Reaktion auf das Verhalten Russlands in der Ukraine-Krise diskutieren die EU-Staaten Sanktionen gegen Moskau. Das geht aus einem Entwurf für eine gemeinsame Erklärung hervor, die am Montag in Brüssel von den EU-Außenministern diskutiert wurde. »Die EU ruft Russland auf, unverzüglich seine bewaffneten Kräfte in die Orte ihrer ständigen Stationierung zurückzuziehen«, heißt es darin in Bezug auf die Lage auf der ukrainischen Halbinsel Krim. Aus dem Erklärungsentwurf geht zudem hervor, dass die EU Sanktionen verhängen will, indem sie bilaterale Gespräche etwa über Visa-Erleichterungen und ein neues Kooperationsabkommen aussetzt.

»Europa befindet sich ganz ohne Zweifel in der schärfsten Krise seit dem Mauerfall«, sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag zu Beginn des Sondertreffens. »25 Jahre nach dem Ende der Blockkonfrontation ist die Gefahr einer erneuten Spaltung Europas real. Täglich spitzt sich die Lage in der Ukraine weiter zu.« Die EU verurteilte die russische Militäraktion, hofft aber nach wie vor auf eine politische Lösung des Konflikts. In einer Erklärung, über deren Entwurf die Außenminister in Brüssel berieten, droht die EU Moskau auch Sanktionen an, falls Russland weiterhin Militär in der Ukraine einsetze.

Angesichts der explosiven Situation werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU voraussichtlich für Donnerstag zu einem Sondergipfel treffen. Zudem werde die EU die Folgen »möglicher weiterer negativer Handlungen Russlands« für die gegenseitigen Beziehungen prüfen, heißt es in dem Text, der vor seiner Verabschiedung noch an entscheidenden Stellen verändert werden kann. Auch »gezielte Maßnahmen«, also Sanktionen, könnten »erwogen« oder »vorbereitet« werden, darunter ein Waffenembargo, heißt es in dem diskutierten Papier. Ob zu diesem Zeitpunkt wirklich Sanktionen gegen Moskau verhängt werden sollen, ist unter den EU-Staaten umstritten.

Bei prorussischen Protesten in der ostukrainischen Stadt Donezk besetzten am Montag Hunderte Demonstranten Teile der Regionalverwaltung. Auf der Krim herrschte nach dem Machtwechsel hingegen gespannte Ruhe. Bei nach wie vor massiver Militärpräsenz ordnete Moskau inzwischen den Bau einer strategisch wichtigen Brücke zwischen Südrussland und der überwiegend von Russen bewohnten Halbinsel Krim an.

Russland wies zudem die jüngste Kritik von US-Außenminister John Kerry wegen der Krim-Krise als »unannehmbar« zurück. Kerry hatte gedroht, dass Russland aus dem Kreis der G8-Industriestaaten ausgeschlossen werden könnte, falls Moskau weiter Druck auf die prowestliche Führung in Kiew ausübe. »Solche Erklärungen sind kontraproduktiv«, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch am Montag der Agentur Interfax zufolge. Bei der Lösung der »komplizierten Lage« in der Ukraine seien zudem Drohungen nicht hilfreich, den G8-Gipfel in Sotschi im Juni zu boykottieren. »Das widerspricht den Grundsätzen der Gruppe«, sagte Lukaschewitsch.

Russland verteidigte auch bei der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf am Montag sein Vorgehen. Gleichzeitig suchte die UN-Vetomacht den Schulterschluss mit China. Russlands Außenminister Sergej Lawrow nannte das Vorgehen Moskaus am Montag eine »Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte«. Der Übergangsregierung in Kiew warf er vor, grundlegende Menschenrechte der Russen in der Ukraine zu missachten.

Derweil hat der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, an die Konfliktparteien auf der Krim appelliert, jede Gewalt zu vermeiden. »Das ist ganz sicher eine gefährliche und hochexplosive Situation«, sagte Schulz am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Es gelte aber das Prinzip, »dass Leute, die miteinander reden, nicht aufeinander schießen«. Schulz begrüßte die Vermittlungsbemühungen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in der Ukraine. Die OSZE sollte so schnell wie möglich mit Moskau und Kiew darüber reden, ob es einen Status für die Krim geben könne, der beide Seiten zufriedenstellt.

Der SPD-Politiker räumte ein, dass die EU bei den Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine den finanziellen Druck nicht ausreichend berücksichtigt habe, unter dem das Land stand. »Die Ukraine war fast bankrott und brauchte billiges Gas.« Die notwendigen Summen habe die EU dem Land nicht geben können. »In diese Lücke ist (der russischen Präsident Wladimir) Putin gestoßen.« Schulz warb für einen differenzierten Blick auf die Ukraine: »Wir sind alle gut beraten, weniger den Blick des Westens auf die Ukraine einzunehmen, eher den Blick der Ukrainer auf ihr Land.« Dabei würden viele unterschiedliche Interessenlagen sichtbar: ökonomisch, ethnisch, historisch bedingt. Agenturen/nd

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