Streik der Geschlechter

  • Jan Tölva
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum Frauenkampftag am 8. März will die Naturfreundejugend Berlin geschlechtsspezifische Zuschreibungen von Arbeit sichtbar machen.

Auf den ersten Blick wirkt der Titel einer aktuellen Plakatkampagne des AK Feminismus der Naturfreundejugend Berlin etwas seltsam. »Geschlecht bestreiken« - wie soll das gehen? Geschlecht ist ja keine Arbeit oder Ausbildung, der man fernbleiben und die man bestreiken kann.

Tatsächlich soll der Name auch eher darauf verweisen, dass in unserer Gesellschaft verschiedene Arbeiten klar einem bestimmten Geschlecht zugeordnet sind. Auch wenn in den vergangenen Jahren die klassischen Geschlechterrollen zumindest ein Stück weit aufgeweicht worden sind, gelten Reproduktionstätigkeiten wie Haushalt oder Kindererziehung noch immer als typisch weiblich. Männer an Herd und Wickeltisch sind noch immer eher selten.

Der AK Feminismus bezeichnet seinen theoretischen Ansatz als materialistischen Feminismus. »Unser Ziel ist es, geschlechtsspezifische Zuschreibungen von Arbeit sichtbar zu machen«, erklärt Tina Reis, Mitglied des Arbeitskreises. Aber selbstverständlich soll es nicht bei dieser Sichtbarmachung bleiben. Idealerweise sollen diejenigen, die die Plakate sehen, auch darüber nachdenken und reflektieren, inwiefern die Problematik sich auch in ihrem Leben wiederfindet.

Eine Vokabel, die dabei eine wichtige Rolle spielt, ist »Überforderung«. Viele Frauen sind von ihrem Alltag in hohem Maße überfordert, weil sie nicht nur einer Lohnarbeit nachgehen, sondern auch noch wie selbstverständlich von ihnen erwartet wird, sich um den Haushalt und etwaigen Nachwuchs zu kümmern, sowie die emotionale Arbeit zu leisten, also zuzuhören und sich um andere zu kümmern, wenn es ihnen schlecht geht. Die Frage, wie es den Frauen damit geht, kommt häufig zu kurz. Man erwarte von ihnen in der Regel, mit ihren Problemen alleine fertig zu werden, meint Reis.

»Mach doch Yoga«, heißt es auf einem der Plakate, die bereits an etlichen Hauswänden zu sehen sind. Dabei wäre es viel hilfreicher, sich auszutauschen und gemeinsam das Problem bei der Wurzel, also bei den gesellschaftlichen Verhältnissen zu packen, statt sich auf eine Logik der Individualisierung und Entsolidarisierung einzulassen, die für unsere Gesellschaft so prägend ist.

Am kommenden Samstag, dem 8. März, soll im k-fetisch in Berlin-Neukölln unter dem Motto »Du kannst so gut zuhören, Schätzchen« die offizielle Auftaktveranstaltung der Kampagne stattfinden. Dass an diesem Tag der internationale Frauenkampftag ist, ist natürlich kein Zufall. Es ist sogar gleich doppelt passend. Immerhin verdankt der Frauenkampftag sein Datum tatsächlich einem Streik, nämlich jenem der Frauen von Sankt Petersburg, der 1917 die russische Februarrevolution auslöste, die schließlich zur Oktoberrevolution führte. Dass es Frauen waren, die den Startschuss zu dieser Erhebung der Massen gaben, wird heute oft vergessen. Aber wirklich verwunderlich ist das wohl nicht.

Mehr Informationen unter:

www.geschlecht-bestreiken.org

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