Deutsche Wirtschaftslobby warnt vor Sanktionen

Putin: Wir wollen keinen Krieg / UN-Sondergesandter auf der Krim / Bundeswehr ist an OSZE-Beobachtermission beteiligt

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Berlin. Vor einem Treffe der Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Staaten hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag vor zu harten EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Krim-Krise gewarnt. »Wir empfehlen der Politik, jetzt nicht die größte Keule auszupacken und breite Wirtschaftssanktionen auszusprechen«, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Volker Treier, der »Rheinischen Post«. Wirtschaftssanktionen, etwa Handelsverbote, würden dagegen auch die deutschen Unternehmen empfindlich treffen. »Unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Russland haben sich in den vergangenen Jahren enorm intensiviert. Unsere Exporte haben sich gegenüber 2009 fast verdoppelt - bei einem aktuellen Volumen von mehr als 36 Milliarden Euro«, sagte der DIHK-Vertreter.

Der Linkenpolitiker Stefan LIebich warnte, die Verhängung von Sanktionen könne eher ein »Beitrag zur Eskalation« sein. »Sie verkomplizieren die Lösungssuche statt sie zu befördern«, sagte Liebich dem »Handelsblatt«. »Die zugespitzte Situation in der Ukraine erfordert ein hohes Maß an Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft auf beiden Seiten statt die Anhäufung weiterer Hindernisse.« Statt Russland in die Enge zu treiben, plädiere er dafür, »auf allen Wegen, in der OSZE und im Europarat, im Uno-Sicherheitsrat und auch auf dem G8-Gipfel, in direkte unmittelbare Verhandlungen zu treten«, sagte der Außenexperte der Linksfraktion. Der Westen müsse mittelfristig Russland noch stärker als Partner einbinden.

Westliche Staaten empörten sich weiter über den umstrittenen Militäreinsatz auf der Krim. Moskau müsse seine Truppen zurück in die Kasernen rufen, forderte US-Außenminister John Kerry. Sonst würden die USA und ihre Partner Russland »politisch, diplomatisch und wirtschaftlich isolieren«. Die EU-Regierungschefs könnten bei ihrem treffen am Donnerstag bereits Sanktionen gegen Russland beschließen. Infrage kommt etwa, Gespräche mit Moskau über Visa-Erleichterungen auszusetzen oder gar Einreiseverbote zu verhängen sowie Bankkonten einzufrieren.

Russland will sich nach eigenen Angaben aber weder die Halbinsel Krim aneignen noch einen Krieg gegen das Nachbarland Ukraine führen. Kremlchef Wladimir Putin versicherte am Dienstag, er sei offen für Gespräche mit dem Westen und auch für den deutschen Vorschlag einer internationalen Kontaktgruppe. Er drohte allerdings einen Militäreinsatz in der Ostukraine für den Fall an, dass es dort zu Übergriffen auf russische Bürger komme. Im Moment aber sehe er dafür keine Notwendigkeit. Über den künftigen Status der Schwarzmeer-Halbinsel sollten die Bewohner selbst entscheiden, sagte Putin. Auf der Krim ist am 30. März ein Referendum geplant.

Internationale Beobachter sollen nun Klarheit über den umstrittenen Militäreinsatz von Truppen auf der ukrainischen Halbinsel im Schwarzen Meer schaffen. An der unbewaffneten militärischen Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beteiligen sich laut »FAZ« auch zwei Bundeswehrsoldaten. Abreise der Expertengruppe ist bereits am Mittwoch, wie die OSZE am Dienstagabend in Wien beschloss. Ob sie von Odessa aus tatsächlich Zugang zur Krim bekommen, war zunächst unklar. Schon am Dienstag traf der UN-Sondergesandte Robert Serry auf der Halbinsel ein, doch machten die Vereinten Nationen zunächst keine Angaben zu seinen Aufgaben oder der Dauer seines Aufenthalts.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich vorsichtig optimistisch, dass der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eingedämmt werden kann: »Es gibt eine kleine Chance, jetzt einen internationalen politischen Prozess in Gang zu bringen, mit dem die Spirale der Eskalation zwischen Russland und der Ukraine auf der Krim gestoppt werden kann«, sagte Steinmeier der »Rheinischen Post«. Steinmeier warnte vor den Folgen einer andauernden Krise in der Ukraine: »Ich hoffe, dass sich alle bei den jetzt laufenden Gesprächen ihrer Verantwortung bewusst sind.«

Am Mittwoch befasst sich in Brüssel überdies auch der Nato-Russland- Rat mit der heiklen Lage. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte sich zuletzt sehr alarmiert geäußert. »Trotz wiederholter Aufforderungen der internationalen Gemeinschaft verletzt Russland weiterhin die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit und missachtet die eigenen internationalen Verpflichtungen«, sagte er am Dienstag nach Beratungen des Nato-Rates in Brüssel.

Unterdessen hat die russische Armee in Astrachan im Süden Russlands eine mit Nuklearsprengköpfen bestückbare Interkontinentalrakete gezündet, die nach ihrem Testflug planmäßig in Kasachstan einschlug. Agenturen/nd

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