Fantasienamen am Klingelschild

Verwaltungsgericht verbietet eine Ferienwohnung in Prenzlauer Berg auf Grundlage des Baurechts

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Zweckentfremdungsverbot für Mietwohnungen tritt zum kommenden 1. Mai in Kraft. Zusätzlich können Bezirke aber auch das Baurecht nutzen, um gegen gewerbliche Nutzung vorzugehen.

Für die betroffenen Mieter sind sie ein permanentes Ärgernis, für die Betreiber ein lukratives Geschäft. Die Rede ist von Ferienwohnungen in Mietshäusern, von denen es in Berlin bis zu 15 000 geben soll. Genaue Zahlen gibt es nicht, da sich Senat und Bezirksämter bislang außerstande sahen, den Bestand zu erfassen oder gar eine rechtswidrige Nutzung zu unterbinden.

Das soll sich jetzt ändern. Nachdem der Senat am Dienstag die Verordnung zur Umsetzung des im November 2013 vom Abgeordnetenhaus beschlossenen Gesetzes zum Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum gebilligt hat, kann diese nach Veröffentlichung im Berliner Amtsblatt im März ab dem kommenden 1. Mai angewendet werden. Zwar gibt es für bereits registrierte »Altbestände« Übergangsregelungen, doch neue Ferienwohnungen sind dann genehmigungspflichtig. Zur Umsetzung der Verordnung hat der Senat ferner 17 Mitarbeiterstellen für die Bezirke freigegeben.

Doch auch das Baurecht gibt den Bezirken Möglichkeiten, gegen Ferienwohnungen vorzugehen. In einer Eilentscheidung hat das Verwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der Eigentümerin des Hauses Prenzlauer Allee 220 im Bezirk Pankow am Freitag untersagt, in dem Objekt weiterhin Ferienwohnungen zu betreiben. Damit wurde die Klage gegen eine im Januar erlassene Anordnung des Bezirks zurückgewiesen. »Die Nutzung der Wohnungen als Ferienwohnungen verstößt gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme«, stellte die 13. Kammer des Gerichtes in ihrem Beschluss fest. Es handele sich um eine gewerbliche Nutzung, die in allgemeinen Wohngebieten nur ausnahmsweise zulässig sei. Grundlage der Entscheidung ist die Baunutzungsverordnung. Dort heißt es im Paragraf 15, Abs. 1, dass in Wohngebieten Nutzungen unzulässig sind, »wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind«.

Seit April 2013 hatte es Beschwerden der regulären Mieter über unzumutbare Lärmbelästigungen bis weit in die Nacht gegeben. Daraufhin führte die Wohnungsaufsicht des Bezirks zusammen mit der Polizei am 23. Dezember und am 6. Januar Begehungen des Objektes durch, bei denen auch Räume inspiziert und Personenkontrollen vorgenommen wurden. Kurz darauf erhielt die Eigentümerin die Verbotsverfügung samt Anordnung des Sofortvollzugs.

Beworben wurden die Ferienwohnungen im Internet als »4-Sterne-Apartment im historischen Viertel in Berlin (Prenzlauer Berg) nur für Erwachsene«. Als objektive Belege für die von der Eigentümerin bestrittene gewerbliche Nutzung wertete das Gericht ferner Fantasienamen auf Klingelschildern, Wäschewechsel nach Ein- und Auszug, Informationsblätter in Fremdsprachen und die Festlegung von Check-in- und Check-out-Zeiten.

Bezirksstadtrat Jens Holger Kirchner (Grüne) sprach von einem »richtungsweisenden Urteil«, das den Bezirken unabhängig von der Zweckentfremdungsverordnung ganz neue Möglichkeiten beim Verbot von Ferienwohnungen an die Hand gebe. In Pankow sind derzeit noch mehr als zehn weitere Verfahren anhängig. Und auch in anderen Bezirken wird der Druck auf die Bauaufsichten wachsen.

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