- Berlin
- Gedenken
Vilma im Widerstand
Ausstellungsprojekt »Ravensdruck« in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück
Bei der Eröffnung der Ausstellung am Freitag steht die Druckpresse noch hinten im Raum. Die Besucher können sich also ansehen, womit die hier gezeigten Drucke entstanden sind. Vorsorglich warnt Ingo Grollmus, die Druckpresse nicht anzufassen: »Die Farbe ist noch nicht ganz trocken!«
Das erste Mal war Lehrer Grollmus 2004 mit seinen Schülern von der Berliner Ernst-Litfaß-Schule in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. Es ist ein Oberstufenzentrum für Mediengestaltung und Medientechnik. Grollmus unterrichtet dort Drucktechnik. Im Laufe der Jahre ist er mit immer neuen Schülern immer wiedergekommen. So wurde die Projektwoche »Ravensdruck« eine kleine Tradition. Die 12. Auflage ging am Freitag zu Ende. Hoffenlich sei es nicht das letzte Mal, sagt Matthias Heyl, der die Bildungsabteilung der Gedenkstätte leitet.
Vor 21 Jahren fing es an
Als es 2004 anfing, seien im inzwischen für die Verwaltung umgebauten Trakt noch Garagen gewesen, erinnert sich Lehrer Grollmus. Schon damals wurde hier eine Druckpresse aufgestellt und nun wieder. Aber jetzt ist es keine Garage mehr, sondern das große Foyer zwischen der Bibliothek und den Büros. Dort hängen nun die im Laufe der Woche gefertigten Drucke der 13 Schülerinnen und Schüler an der Wand.
Es werde keine Klassenfahrt, es werde gearbeitet in Ravensbrück, hatte Grollmus vorher klargemacht. Doch er hätte die jungen Leute nicht warnen müssen. Sie zeigten großen Einsatz, waren weit über das geforderte Maß hinaus bei der Sache und teils bis in die Nacht hinein beschäftigt. »Ich finde das schon irre, dass die Schülerinnen und Schüler so was mitmachen«, schwärmt ihr Drucktechniklehrer. Praktisch ohne Kunstverstand, jedoch mit sehr viel Engagement seien tolle Bilder gelungen.
Die verschiedenen Motive zeigen in der untersten, aus einem Tapetenmuster entstandenen Schicht immer wieder das Gesicht einer Frau. Das ist Vilma Steindling (1919–1989), jüdische Kommunistin aus Wien, die das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und das Konzentrationslager Ravensbrück überlebte. Sie stammte aus ärmsten Verhältnissen, wuchs in einem Waisenhaus auf und trat mit 16 Jahren in den kommunistischen Jugendverband ein, der genauso wie die kommunistische Partei in Österreich schon seit 1933 verboten und damit illegal war. 1937 floh Vilma vor den Nazis nach Frankreich. Sie musste dort die »Drecksarbeit« machen und sich ausnutzen lassen wie Flüchtlinge heute auch. So erzählt es ihre Tochter Ruth Steindling.
Ruth Steindling erzählt von ihrer Mutter Vilma
Die Tochter hat die Projektwoche mit den jungen Leuten zugebracht und ihnen von ihrer Mutter erzählt. Nun liest Ruth Steindling zur Ausstellungseröffnung am Freitag die zu den Bildern an der Wand passenden Stellen aus einem Buch, das sie zusammen mit Claudia Erdheim geschrieben hat: »Vilma Steindling – eine jüdische Kommunistin im Widerstand«.
Widerstand leistete Vilma Steindling, als die Faschisten Frankreich besetzten. Sie lebte dann unter falschem Namen und sprach mit anderen jungen Widerstandskämpferinnen deutsche Soldaten an. Den einen oder anderen überredeten sie, zu desertieren. Dass es viel genutzt hat, ist im Nachhinein zu bezweifeln. Es hatte aber einen hohen symbolischen Wert, den Franzosen zu zeigen, dass auch Deutsche und Österreicherinnen etwas gegen Hitler unternehmen, berichtet Ruth Steindling.
Schließlich verriet ein Soldat ihre Mutter an die Polizei. Vilma Steindling wurde nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Als die sowjetischen Truppen nahten, trieb die SS Steindling nach Ravensbrück. Von hier fuhr sie im April 1945 mit einem der berühmten weißen Busse in die Freiheit. Das schwedische Rote Kreuz hatte mit der SS verhandelt und konnte Tausende KZ-Häftlinge davor bewahren, noch kurz vor Kriegsende ermordet zu werden. Nicht von ungefähr zeigt einer der Drucke in der Ausstellung solch einen Bus mit einem allerdings nicht roten Kreuz auf der Karosserie.
Ausstellung »Vilma. Eine jüdische Kommunistin im französischen Widerstand« bis 29. Mai 2026, täglich 10 bis 18 Uhr, Gedenkstätte Ravensbrück, Straße der Nationen in Fürstenberg/Havel, Eintritt frei. Außerdem wird eine zweite Version der Ausstellung vom 26. Januar bis 20. Februar 2026 in der Wandelhalle des Berliner Abgeordnetenhauses, Niederkirchnerstraße 5, gezeigt.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.