Der alternativlose Bulldozer

Obwohl er keine Erfolge vorzuweisen hat, sitzt BER-Flughafenchef Hartmut Mehdorn weiter an den Schalthebeln

Vor einem Jahr präsentierte der Aufsichtsrat des BER Hartmut Mehdorn als Retter. Doch eine Eröffnung des Flughafen steht immer noch in den Sternen. Der Nimbus des Managers ist derweil verblasst.

Sechs Milliarden Euro teuer wird der neue Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld, vielleicht sogar sieben Milliarden. Man kann das jetzt einfach behaupten. Man muss gar nicht auf den 1. April warten, um es als Scherz zu verkaufen. Zwar entbehrt die Behauptung, der Flughafenbau werde mehr als sechs Milliarden Euro kosten, derzeit jeder Grundlage. Aber viele Menschen werden dennoch bereit sein, dies zu glauben – und vielleicht kommt eines Tages die Meldung, dass es wirklich so ist.

Aber halten wir uns an die Fakten. Die letzte bestätigte Summe zu den Kosten liegt bei rund 5,1 Milliarden Euro. Auch das ist natürlich nur eine Schätzung. Flughafenchef Hartmut Mehdorn stehe vor der Aufgabe, »endlich einen Gesamtfinanzierungsplan zur Inbetriebnahme des Terminals vorzulegen«, sagt Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (LINKE). Auch müsse Mehdorn »für die Umsetzung des Schallschutzprogramms mit den anspruchsvollen Normen« sorgen.

Mehdorns Managerkarriere
  • Hartmut Mehdorn wurde am 31. Juli 1942 in Warschau geboren. Nach dem Krieg kam er 1953 nach Berlin. Dort besuchte er die Oberschule, es folgte ein Maschinenbaustudium.
  • Von 1966 bis 1995 war Mehdorn zunächst Flugzeugentwickler, dann übernahm er Leitungsfunktionen in der Luftfahrtbranche, unter anderem bei der Deutschen Airbus.
  • Von 1995 bis 1999 war er Vorstandschef der Heidelberger Druckmaschinen AG.
  • 1999 wurde Mehdorn zum Bahnchef berufen. Dort stürzte er 2009 über eine Datenaffäre.
  • Bei Air Berlin wurde er 2011 Vorstandschef und blieb dort bis Anfang 2013.
  • Seit dem 11. März 2013 ist Mehdorn Flughafenchef in Berlin.

dpa/nd

Als der vormalige Boss der Fluggesellschaft Air Berlin vor einem Jahr zum neuen Flughafenchef ausgerufen wurde, da hatte Christian Görke über Mehdorn gesagt: »Er hat den Charme eines Bulldozers.« Diesen Eindruck sieht Görke mittlerweile bestätigt. Viel angedacht und angefangen hat der eigentlich sehr erfahrene Manager, aber offensichtlich wenig zu Ende gedacht und vor allem nichts zu Ende gebracht. »Wir haben gemerkt, es gab im letzten Jahr viele Sprintversuche. Doch man muss sich möglicherweise eingestehen, dass es ein Marathonlauf wird«, frotzelt der Finanzminister am Freitag gegenüber »neues deutschland«.

Als die Personalie am 8. März 2013 bekannt wurde, gossen Kommentatoren beim Kurznachrichtendienst »Twitter« kübelweise Hohn und Spott über den inzwischen 71-Jährigen Hartmut Mehdorn aus. Oft nahmen sie dabei Bezug auf seine Vergangenheit bei der Deutschen Bahn. So hieß es zum Beispiel: »Sie haben sich halt einen Experten für Verspätungen geholt.« Oder: »Der BER hat doch schon 22 000 Mängel. Was soll Mehdorn da noch kaputtsparen.« Und es wurde die Frage gestellt, was der Manager in Schönefeld solle? Da gebe es doch noch gar nichts, dass man herunterwirtschaften könnte.

Zuversichtlich hatte sich aber der damalige brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gezeigt. Er sei sicher, dass es Mehdorn »gelingen wird, den Flughafen Berlin-Brandenburg zurück in die Erfolgsspur zu führen«, behauptete er.

Heute, ein Jahr danach, kann von »Erfolg« allerdings in keiner Weise gesprochen werden. Alle Projekte, die sich Mehdorn selbst in der Zwischenzeit vorgenommen hatte, gelten als gescheitert: Als wichtigste wäre in diesem Zusammenhang der Testbetrieb am Nordpier zu nennen, mit dem der Flughafenchef ursprünglich eine Teileröffnung vornehmen wollte. Ziel war es, pro Tag einige Flüge der Airline »Germania« abzuwickeln, um die Systeme des Hauptstadtflughafens zu testen. Angepeilt war die Flughafeneröffnung »light« – ein »Lieblingsprojekt« Mehdorns – für das Jahr 2014.

Das wäre vor allem ein taktischer Erfolg gewesen, weil die leidige Eröffnungsdebatte in den Medien die Spitze genommen worden wäre. Doch statt Befreiungsschlag, gab es wieder mal einen Rückschlag zu verzeichnen: Denn Ende Februar dieses Jahres musste der einst als »Retter« des BER geholte Manager in einem Brief an die Mitarbeiter der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg (FBB) einräumen: »Wir müssen konstatieren, dass wir für dieses Vorhaben nicht genügend Unterstützung finden konnten.«
Schuld waren für das Abblasen des Testbetriebs also aus Sicht Mehdorns wieder mal die anderen: In diesem Fall fehlte die Unterstützung des Aufsichtsrats, in dem auch die Gesellschafter des Flughafens sitzen: Berlin, Brandenburg und der Bund. Weitere Rückschläge waren für Mehdorn neben dem genannten gescheiterten Testbetrieb darüber hinaus die Absage der Sanierung der Nordbahn, weil die Bedingungen für den gerichtlich garantierten Schallschutz für einige tausend Anwohner nicht umgesetzt werden konnten. Nach dieser neuerlichen Hiobsbotschaft sprach selbst Mehdorn erstmals von einer Eröffnung des BER »vielleicht erst 2016«. Zur Bilanz des Scheiterns zählen jedoch nicht nur einige selbstbestimmte Lieblingsprojekte des 71-Jährigen. Hinzu kommen auch Probleme in der Flughafengesellschaft selbst. Mit dem einst ebenfalls als »Retter« geholten technischen Geschäftsführer Horst Amann überwarf sich der eloquente Flughafenchef als erstes. Der Vollprofi Amann darf inzwischen nach monatelangem Streit in einem stillen Kämmerlein die Versorgungsnetze des Großflughafens verwalten – natürlich nicht ohne weiter seine üppigen Bezüge als einstiger Technikchef weiterzubeziehen. Unzufriedenheit gab es aber auch mit Amanns-Nachfolgerin, der Chefplanerin Regina Töpfer. Die 46-jährige Bauingenieurin wurde in ihrer Funktion als Projektleiterin des BER bereits nach ihrer Probezeit wieder entlassen, weil sie offenbar nicht den Ansprüchen der Geschäftsführung um Mehdorn gerecht werden konnte.

Viel Zoff, viele Probleme, aber kaum etwas vorzuweisen. Diese Bilanz betrifft auch den Kern des BER-Desasters: die nicht funktionierende Brandschutzanlage im Terminal. Auch bei diesem Problem gibt es kaum Fortschritte zu verzeichnen. Im Gegenteil: Das zuständige Unternehmen »Siemens« hat immer noch keine Pläne, um dann, wie versprochen, innerhalb von 18 Monaten die für die Eröffnung unerlässliche komplexe Brandschutzanlage in Betrieb nehmen zu können. Einen verlässlichen Eröffnungstermin, geschweige denn einen Kostenplan hat Mehdorn nicht zu bieten. Allen Widrigkeiten zum Trotz steht der Aufsichtsrat dennoch hinter seinem Flughafenchef. »Herr Mehdorn hat unser Vertrauen. Und er ackert mit allen Kräften, dass tatsächlich dieses Projekt zum Erfolg geführt wird«, sagte der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Ende Februar nach einem Krisentreffen mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Staatssekretär Rainer Bomba vom Bundesverkehrsministerium.

So bleibt Hartmut Mehdorn erst einmal an den Schalthebeln. Und nicht mal Kritiker wie Martin Delius (Piraten), der den Untersuchungsausschuss zum BER im Berliner Abgeordnetenhaus leitet, fordert seinen Rücktritt – auch wenn er ihn in der Verantwortung sieht. »Mehdorn kann den Flughafen nicht alleine fertigbauen«, sagt Delius dem »nd«. Weitere Bauernopfer, so Delius, würden deshalb auch nicht helfen. Vielmehr brauche der BER eine eigene Projektkoordination mit technischem Sachverstand, das zur Unterstützung Mehdorns aufgebaut werden müsste.

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