Krim-Behörden versprechen faire Abstimmung

Auffälliges Bemühen um misstrauische Krimtataren: Minderheitenrechte sollen gewahrt werden

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die neue Regierung in Kiew nach Mitteln und Wegen sucht, die Abspaltung der Krim von der Ukraine zu verhindern, bereiten die dortigen Behörden eine Sezession zielstrebig vor.

Die Regierung der Krim hat den etwa 250 000 Krimtataren - gut 12 Prozent der Gesamtbevölkerung - Mitspracherecht auf allen Ebenen zugesagt. Sie sollen, wie Parlamentsvizepräsident Sergej Zekow bei Radio »Echo Moskwy« sagte, einen stellvertretenden Parlamentschef stellen und einen weiteren Vertreter ins Präsidium der Volksvertretung entsenden dürfen. Außerdem sollen sie mehrere Ministerposten und andere hohe Ämter in der Regierung übernehmen. »Wir sind bereit, alles zu tun, damit die Tataren das Gefühl haben, voll in die Gesellschaft der Krim integriert zu sein«, sagte Zekow. Es werde auf der Halbinsel auch in Zukunft drei Amtssprachen geben: Russisch, Tatarisch und Ukrainisch. Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow hatte sich zunächst für Zweisprachigkeit - ohne Ukrainisch - erklärt.

Zuvor hatte die neue ukrainische Regierung, die vom Krim-Parlament nicht anerkannt wird und ihrerseits die Auflösung des Obersten Rats in Simferopol betreibt, die Abschaltung russischer Fernsehkanäle wegen »Volksverhetzung« verfügt und den Status des Russischen als regionale Amtssprache in Frage gestellt. Das hatte im Osten und Süden der Ukraine mit starkem Anteil russischsprachiger Bevölkerung zu Massenprotesten geführt. Drei Regionen erwägen daher, der Krim-Republik beizutreten, wenn die sich bei dem für Sonntag geplanten Referendum für einen Beitritt zur Russischen Föderation entscheidet.

Der Volksentscheid werde umgerechnet knapp zwei Millionen Dollar kosten, erklärte Regierungschef Aksjonow. Da Kiew bereits die Konten der Krim-Behörden blockiert hat, dürfte der Löwenanteil davon aus Russland kommen. Die finanziellen Hilfen russischer Regionen seien bereits angelaufen, teilte Wladimir Konstantinow mit, der Parlamentschef der Krim. In der vergangenen Woche hatte der Präsident der an der Wolga gelegenen Republik Tatarstan die Halbinsel besucht und mit deren Regierung die Vertiefung der Kooperation auf wirtschaftlichem und humanitärem Gebiet vereinbart. Damit sollen auch die Krimtataren bewogen werden, für den Anschluss an Russland zu stimmen. Die Volksgruppe hat ein historisch belastetes Verhältnis zu Moskau. Wegen Verdachts auf Kollaboration mit der Wehrmacht hatte Stalin sie im Zweiten Weltkrieg kollektiv nach Sibirien deportieren lassen.

Vizepremier Rustam Temirgalijew, selbst ethnischer Tatar, versprach für Sonntag jedenfalls eine faire, freie Abstimmung mit größtmöglicher Transparenz. Er kann sich sogar OSZE-Wahlbeobachter vorstellen, sofern die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ihnen ein entsprechendes Mandat erteilt.

OSZE-Beobachter, die sich in den vergangenen Tagen ein Bild von der Situation auf der Krim machen wollten, waren von Bewaffneten an der Einreise gehindert worden. Im Westen wird vermutet, dass es sich bei den Blockierern um russische Soldaten handelte. Moskau und die Krim-Regierung bestreiten das und machen lokale Heimwehren dafür verantwortlich. Einen bewaffneten Zwischenfall erklärte Krim-Vizepremier Temirgalijew damit, dass es sich bei den vermeintlichen OSZE-Vertretern in Wahrheit um NATO-Militärbeobachter gehandelt habe. »Die brauchen wir nicht«, sagte der Politiker wörtlich bei »Echo Moskwy«.

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