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Schule macht krank

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Anfang März debattierte ein Kongress des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte unter dem Motto »Macht Schule krank?«. Auf der Verbands-Seite kinderaerzte-im-netz.de, ist man überzeugt, dass das Schulsystem »in vielen Bereichen nicht an den Bedürfnissen der Lehrer und Lehrerinnen oder gar der Schüler und Schülerinnen ausgerichtet ist.« Auch der Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann sieht auf sueddeutsche.de einen Zusammenhang zwischen dem »System Schule und psychischer oder psychosomatischer Krankheiten«.

Hierzu meint Thiri: »Nicht die Schule an sich macht krank. Krank macht eine Gesellschaft, die Kindern die Kindheit nimmt, krank macht die Gleichmacherideologie, die zur Noteneinfalt geführt hat, so dass unterhalb des Einserabiturs nichts mehr gilt, krank macht die neue Bildungsdefinition, die nur noch zulässt, was ökonomisch nützlich ist und krank macht die Suggestion, dass Mütter am Arbeitsplatz wichtiger sind als daheim bei ihrem Säugling, so dass die wichtigste Bindung, die es für ein Kind in den ersten Lebensjahren gibt, geschwächt wird.«

Auch der Nachhilfelehrer Bandelier sieht das Problem als eines der Gesellschaft: »Unter einer Kanzlerin, die eine marktkonforme Demokratie zu ihrem Ziel macht, ist es weiterhin nicht verwunderlich, wenn Eltern ihre Kinder zu marktkonformen Unmenschen erziehen wollen, d.h. Abitur um jeden Preis, denn Hartz IV lauert im Hintergrund.« Und Riwie ergänzt: »Heute werden die Kinder nicht mehr kindgerecht sondern erwachsenengerecht erzogen! Der Perfektionswahn sorgt dafür, dass keine Fehler mehr gemacht werden dürfen! Eigenständiges Verhalten ist nicht mehr gefragt.«

Die »Thüringische Landeszeitung« schreibt auf tlz.de, dass laut Peter Paulus, Professor der Psychologie, »20 bis 25 Prozent der rund 8,6 Millionen Schüler in Deutschland als psychisch auffällig gelten«. Das zeige sich unter anderem in Verhaltensstörungen und Ängsten. Viele Kinder brächten diese gesundheitlichen Belastungen allerdings schon bei ihrer Einschulung mit. Eine Erhebung in Niedersachsen beispielsweise zeige, »dass bei der Schuleingangsuntersuchung mehr als zwei Prozent von 63 000 Kindern, also noch vor der Einschulung, in psychischer Behandlung waren.« Die Probleme seien bekannt, doch noch immer würde »mit Übertritt zur Schule aus dem Spielkind ein Sitzkind« werden. Auf gesundheitsstadt-berlin.de liest man, der Verband beklage den »Rückzug des öffentlichen Gesundheitsdiensten (ÖGD)«. Der ÖGD würde sich »immer mehr aus der Versorgung von Schulkindern zurückziehen«. Eine »ernst gemeinte betriebsmedizinische Betreuung der Schülerinnen und Schüler« werde »durch ständigen Personalabbau im ÖGD vereitelt«. Und bei schule-macht-krank.de wird der Name zum Programm: »Schule als Institution macht krank und wird ihrem Bildungsanspruch nicht gerecht. Weil Lernen nicht per Knopfdruck in der Masse geschehen kann. Lernen geschieht von Innen nach Außen, nicht umgedreht. Genau das wird aber in den Schulen praktiziert und endet damit, dass wir zu Automaten erzogen werden, die wiedergeben, was sie auswendig gelernt haben.«

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