»Wir wollen hier keinerlei Extremisten«

Führer der Kommunisten auf der Krim: Neue Machthaber in Kiew missachten in eklatanter Weise den Bevölkerungswillen

  • Lesedauer: 3 Min.
Oleg Solomachin ist 1. Sekretär der Kommunistischen Partei der Ukraine auf der Krim. Nach seiner Sicht auf die Ereignisse auf der Halbinsel befragte ihn für »nd« Tina Schiwatschewa.

nd: Können Sie uns die Lage auf der Krim beschreiben? Was passiert bei Ihnen?
Solomachin: Die westlichen Medien zeichnen ein schiefes Bild von der Lage auf der Krim - als tobe hier ein Bürgerkrieg und die Leute schössen aufeinander. Aber das widerspiegelt nicht die Wirklichkeit. Einige Agenturen wollen die Situation offenbar anheizen und die Weltmeinung auf ihre Seite ziehen, indem sie ihre Vorurteile verbreiten. Bei uns auf der Krim ist es friedlich. Die Leute sind auf den Straßen, das Wetter ist gut. Militär ist nicht sichtbar. Alles ist ruhig. Unter unseren Fenstern stehen keine Panzer. Wer es nicht glaubt, soll herkommen und sich selbst umsehen.

Was ist mit den Soldaten, die auf der Krim stationiert sind?
Es gibt Zugangskontrollen, und es gibt eine Menge Militärgarnisonen, aber wir - die Normalbürger - bemerken sie kaum. Sie bleiben in ihren Stützpunkten. Es gibt aber sehr wohl Leute, die Selbstschutzgruppen gegen Extremisten gebildet haben. Wir wollen hier keinerlei Extremisten.

Wie steht die Öffentlichkeit zu dem Referendum, das am Sonntag stattfinden soll?
Alle soziologischen Umfragen besagen, dass mehr als 70 Prozent der Befragten für die Unabhängigkeit und für Russland sind. Die Behandlung der Krim durch Kiew hat die Leute in dieser Meinung nur noch bestärkt. Erstens sind die Nationalradikalen in der gegenwärtigen Ukraine zu stark vertreten. Zweitens, ebenso wichtig, missachtet Kiew auf eklatante Weise den Willen der Krim-Bevölkerung: Der nicht gewählte ukrainische Präsident Oleksander Turtschinow hat die Wahl Sergej Aksjonows zum Vorsitzendenden des Ministerrats der Autonomen Krim-Republik für verfassungswidrig erklärt. Die Strafanklagen gegen populäre Politiker der Krim wie Aksjonow und Parlamentspräsident Wladimir Konstantinow haben die Bevölkerung hier weiter aufgebracht. Denen in Kiew ist offenbar alles gestattet, aber anderen wird gar nichts erlaubt.

Wie verhalten sich die kommunistischen Abgeordneten der Werchowna Rada in Kiew?
Unsere Abgeordneten verweigern im Moment jegliche Stimmabgabe. Die KPU-Fraktion wird so lange nicht abstimmen, wie die Parteibüros und der Parteibesitz, die in der Westukraine und in Kiew von Rechtsextremisten besetzt und geraubt wurden, nicht zurückerstattet werden. Es gab dort Gewaltakte und Drohungen gegen Mitglieder unserer Partei. Solange das anhält, machen wir keine Abstimmung mit.

Womit beschäftigt sich der Werchowna Rada denn gerade?
Man muss wissen: Die Ukraine befindet sich im Stadium des wirtschaftlichen Bankrotts. Wir müssten unseren Gläubigern sofort nicht weniger als 11 Milliarden US-Dollar zurückzahlen. Im April wird der Gaspreis überdies von 268,50 Dollar pro Tausend Kubikmeter auf 420 Dollar steigen. Jetzt sind wir der Gnade des Internationalen Währungsfonds ausgeliefert. Der will uns 15 Milliarden Dollar Kredit geben, fordert aber Strukturreformen. So sollen wir den Endverbraucherpreis für Gas erhöhen, wodurch der Lebensstandard drastisch sinken würde. Es gibt Pläne, die verfassungsmäßige Garantie für eine unentgeltliche Gesundheitsversorgung abzuschaffen. Die Renten für Rentner, die noch arbeiten, sollen um 50 Prozent gekürzt werden. Aber die arbeiten doch nur, um ihr ohnehin miserables Einkommen aufzubessern.

Die eine Milliarde Dollar, die uns die USA versprochen haben, wird uns nicht retten. Das Industriepotenzial der Ukraine ist zerstört. Offenbar braucht man das Land jetzt nur noch als Rohstoffquelle, als Anhängsel der Industriewirtschaften. Die Menschen hier werden nicht gebraucht.

Großen Einfluss auf die ukrainische Politik haben die Oligarchen ...
Die haben ihre eigenen Regeln. Die Macht wird jetzt neu unter ihnen aufgeteilt. Oligarchen, die den Maidan unterstützt haben, werden mit Gouverneursposten in der Ostukraine belohnt.

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