Nach dem Urteil: Zweifel an Hoeneß' Version

Berichte äußern Verdacht über Geldwäsche und Korruption / Ex-Fußballmanager schon nach drei Monaten wieder auf Freigang? / 38 Prozent: Strafmaß zu niedrig

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Fußballmanager und Wurstfabrikant Ulrich Hoeneß kann offenbar schon nach drei Monaten Gefängnis mit Hafterleichterungen rechnen. Wie das Magazin »Focus« berichtet, könnte die vom Landgericht München II ausgesprochene Strafe von drei Jahren und sechs Monaten laut Gesetz nach der Hälfte der Zeit zur Bewährung ausgesetzt werden. Der 62-Jährige käme dann nach 21 Monaten frei. Nach Artikel 13 des Bayerischen Strafvollzugsgesetzes kann 18 Monate vor der Freilassung der Gefangene auf Freigang hoffen. In Justizkreisen hieß es: »Hoeneß muss vielleicht drei oder vier Monate tatsächlich in Landsberg am Lech sitzen, dann kommt er ins Freigängerhaus« nach München.

Hoeneß war am Donnerstag wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er verzichtete auf Revision und erklärte, seine Haftstrafe sofort antreten zu wollen. Die Staatsanwaltschaft hat noch bis Donnerstag Zeit, Revision einzulegen. Laut einer Umfrage, über die ebenfalls der »Focus« berichtet, sieht eine knappe Mehrheit der Bundesbürger die Strafe für Hoeneß als adäquat an. 51 Prozent der Befragten sagten, die Haftstrafe von dreieinhalb Jahren sei angemessen. 38 Prozent meinten allerdings, das Strafmaß sei zu niedrig. Lediglich sieben Prozent vertraten die Auffassung, der ehemalige Präsident des FC Bayern sei zu hart bestraft worden. Befragt worden vom Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid 1000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger.

Unterdessen mehren sich die Zweifel an der von Hoeneß im Prozess vertretenen Version, wie er über sein geheimes Konto in der Schweiz Geld verdient habe. Der Schweizer »Tagesanzeiger« zitiert einen ehemaligen Revisor und späteren Banker mit den Worten: »Für einen Hoeness ist es in diesem Markt unmöglich, aus 20 Millionen Mark zeitweise 150 Millionen Euro zu machen. Das ist völlig absurd.« Auch sei bis heute weiter die Herkunft seines Startkapitals ungeklärt. Wie das Blatt weiter schreibt, hegt der ungenannt bleibende Partner einer international ausgerichteten Zürcher Anwaltskanzlei, die auch Kunden bei steuerlichen Selbstanzeigen betreut, »den Verdacht, dass im Fall Hoeness auch Korruption und Geldwäscherei im Spiel sein könnte«.

Auch in der »Frankfurter Allgemeinen« blickt man sehr skeptisch auf das Urteil gegen den Ex-Fußballmanager und Unternehmer. »Warum schreckt Hoeneß vor einer Revision zurück? Könnten andere Richter mehr finden?«, heißt es in der Samstagsausgabe des Blattes. Hoeneß’ Verzicht auf Rechtsmittel nähre »einen schlimmen Verdacht: Das Urteil des Münchner Landgerichts, mit dem er zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, war möglicherweise zu milde«. Man könne »nur an die Staatsanwaltschaft appellieren, ihrerseits in die Revision zu gehen«. So sei weiter ungeklärt, ob die »mehr als 150 Millionen Euro, die sich zeitweilig auf dem Konto befanden, wirklich nur aus Finanzwetten« stammten - oder »ganz anderen Zwecken« dienten. Die Zeitung verweist auf Äußerungen des Vorsitzenden Richters und der Cheffahnderin in dem Prozess, denen zufolge »in den Abrechnungen Sprünge in Millionenhöhe auftauchten, die nicht zu erklären waren«.

Derweil hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble strengere Regeln für Steuerbetrüger angekündigt, die mit einer Selbstanzeige ohne Strafe davonkommen wollen. »Gemeinsam mit den Ländern wollen wir die Voraussetzungen für die Strafbefreiung weiter verschärfen«, sagte der CDU-Politiker der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (FAS). So solle der Strafzuschlag von fünf Prozent, der bei hinterzogenen Steuern von mehr als 50.000 Euro fällig wird, noch einmal erhöht werden. Dazu kommt noch ein schon bestehender Nachzahlungszins von sechs Prozent. Experten von Bund und Ländern beraten bereits seit Monaten über schärfere Regeln. Das Instrument der Selbstanzeige soll grundsätzlich aber bestehen bleiben. Damit kassiert der Fiskus nachträglich hohe Summen. Agenturen/nd

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