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Bekiffte Nachrichten

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob man die Strafe nun zu hoch findet oder zu niedrig, die Häme zum Lachen oder Kotzen, die Phrasen von »Fehler meines Lebens« bis »zurück zur Steuerehrlichkeit« hohl oder erhellend: So groß war die Überraschung, dass mal einer von ganz oben die volle Wucht des Gesetzes zu spüren kriegt, dass es der »Tagesschau« am Tag nach dem Urteil allen Ernstes einen Kameraschwenk auf jenen Knast wert war, den Uli Hoeneß künftig bewohnen wird. Umso angenehmer ist das Ende der Hoeneß-Wochen auf allen Kanälen. Echte Nachrichten können sich wieder auf Dinge konzentrieren, deren Informationsgehalt überm Promifaktor der Beteiligten liegt, während Karikaturen echter Nachrichten wieder letzteren ohne ersteres bringen dürfen. Wobei sich die Unterschiede zwischen ARD und RTL2 auch abseits vom verurteilten Bayern-Präsidenten zuweilen irritierend annähern können. Etwa, wenn die »Tagesschau« Mittwochabend ohne Schamesröte vermeldet, von Michael Schumacher sei nichts zu vermelden, außer dass seine Familie auf Besserung hoffe.

Ein Scoop auf dem Niveau kippender Reissäcke in Fernost, den man nur bekifft erträgt. Von daher macht der RTL-Realitätstester Jenke von Wilmsdorff alles richtig, wenn er zum heutigen Auftakt der 2. Staffel vom »Jenke-Experiment« zum Hardcorekiffer auf Probe wird. Das bietet dem Probanden die Chance, auch das Restangebot des eigenen Senders zu überleben. »Die Hohlbeins« zum Beispiel, auf dem sich der Fantasyautor mit Vornamen Wolfgang nebst Familie ab heute sechs Teile lang auf die Spur der Geissens begibt. Auf die Spur des eigenen Programms machen sich Mittwoch dagegen »Die 10 pikantesten Bachelor-Momente«, womit RTL abermals beweist, dass man für Sendezeit keinerlei Inhalt bereitstellen muss.

Und fürs Gegenteil gibt es Arte, das morgen nach einem Themenabend zum ersten Amtsjahr von Papst Franziskus erst die französische Doku »Wie wir die Metro in Moskau bauten« und schließlich das Experiment »Art of Killing« zeigt, in dem indonesische Putschisten von 1965 mit ihren einstigen Opfern konfrontiert werden. So verstörend, so brillant. Nicht ganz so brillant, aber immerhin irritierend ist Ottfried Fischers Rückkehr als ARD-Pfarrer Braun, den er Donnerstag zum 22. Mal spielt - und zwar wie im richtigen Leben von Parkinson gezeichnet, was in einer gewohnt belanglosen Reihe ungewöhnlich dicht gespielt wirkt. Und während es beim Schweiger-Tatort vorige Woche genau umgekehrt war, dürfen die Kölner Kollegen diesmal wieder alles richtig machen. Auch wenn die Geschichte über einen tödlichen Hausbrand eher Familientragödie als Krimi ist.

Zu guter Vorletzt noch die gute Nachricht des kommenden Wochenendes: Mit den Finales diverser Sportarten endet das Wintersport-Sperrfeuer auf zwei gebührenfinanzierten Vollprogrammen, die gutes Fernsehen zusehends in die Schwesterkanäle verbannen, wie der »Tipp der Woche« belegt: die französische Komödie »Der Name der Leute«, heute auf einsfestival, wo eine linke Aktivistin Konservative jeder Art beim Beischlaf umdreht.

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