Neue Rechte auf Italiens Straßen

Die Neofaschisten von CasaPound haben sich etabliert

  • Heiko Koch
  • Lesedauer: 7 Min.
Neue Rechte auf Italiens Straßen

In Deutschland relativ unbeachtet hat es in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Veränderung am rechten Rand der italienischen Politik gegeben. Die Rede ist von der faschistischen Bewegung »CasaPound Italia«, deren Mitglieder sich stolz »i fascisti del terzo millennio« (Faschisten des dritten Jahrtausends) nennen. Gegründet vor zehn Jahren schaffte es CasaPound, sich von Rom aus über ganz Italien zu verbreiten. Bis zum letzten Jahr verstand sich CasaPound allein als Bewegung. Seit 2013 nimmt sie auch an Wahlen teil. Mit ihren angeblich 4000 Mitgliedern ist CasaPound verglichen mit den traditionellen rechten Parteien relativ klein, gilt aber öffentlich als nicht korrumpiert und verfügt über ein unverbrauchtes und modernes Image.

Was CasaPound so besonders macht, ist ihre erfolgreiche Verbindung extrem rechter Subkulturen mit einer straff geführten hierarchischen Organisation, ihre popkulturellen Bezüge, die Synthese eines traditionellen Faschismus’ mit Elementen der Nouvelle Droite (Neuen Rechten), ihre antikapitalistische, nationalrevolutionäre Propaganda und ihre Inszenierung als soziale Opposition von Rechts.

Die Bewegung CasaPound entstand Ende 2003, als Protagonisten verschiedener extrem rechter Gruppierungen ein Mietshaus im römischen Stadtteil Esquilino, unweit des Hauptbahnhofs Termini besetzten. Sie nannten das Gebäude CasaPound, nach dem amerikanischen Literaten und antisemitischen Mussolini-Verehrer Ezra Pound. Mit der Besetzung gaben sie vor, gegen die herrschende Mieten- und Wohnraumpolitik zu protestieren. Grund der bestehenden sozialen Misere auf dem Wohnungsmarkt der Hauptstadt Italiens sei die Zinspolitik der Hochfinanz.

Der damalige sozialdemokratischen Bürgermeister Walter Veltroni (Partito Democratico) duldete diese rechtsradikale Adaption der linken Centri Sociali. Als der (Post)-Faschist Giovanni Alemanno 2008 für fünf Jahre zum Bürgermeister von Rom gewählt wurde, wandelte sich die Duldung in eine Protektion. Alemanno, der sich noch 2006 in aller Öffentlichkeit zum Faschismus bekannte, versprach sich durch die prosperierende faschistische Jugendbewegung Wählerstimmen und angehende Parteimitglieder. Unter seiner Ägide konnte sich CasaPound ungestört in Rom entfalten. Der Schutz durch den Bürgermeister ging sogar so weit, dass dieser den Hauptsitz der Bewegung für 11,8 Millionen Euro erstand, um ihn CasaPound zu überschreiben. Soweit kam es dann aber nicht. Als die Pläne CasaPounds publik wurden, mit einer eigenen Partei bei Wahlen anzutreten, platzte der Immobilientransfer und trübte die schwarz-schwarze Liasion.

Jugend, Lifestyle, Popkultur

CasaPounds Bemühungen sind darauf ausgerichtet, faschistische Ideen jugendgerecht und massenkompatibel zu präsentieren. Sie visiert dabei den Lifestyle urbaner Jugend- und Subkulturen und deren Eventorientierung an. So nutzt CasaPound moderne Inszenierungen und Aktionsformen, wie sie von diversen Freizeit- und Protestkulturen entwickelt wurden. Aus den Fankurven der Fußballstadien entlehnt CasaPound etwa die Verwendung von Bengalos, Böllern, Gesängen und Klatschrhythmen. Von den emanzipatorischen und sozialen Bewegungen greift sie die Aktionsformen der Flashmobs, Raves, symbolischen Besetzungen, Sit-ins, Go-ins und andere Happening-Formen auf.

Darüber hinaus nutzt CasaPound in ihrer Bildsprache Motive, Elemente und Symbole, die Teil der zeitgenössischen Populärkultur sind. Oft wird diese Bildsprache um faschistische Formsprache und Ästhetik ergänzt. Aus Comics und Filmen verwendet CasaPound Charaktere und Figuren, die ihr geeignet erscheinen, reaktionäre Lebensweisen zu idealisieren und faschistische Botschaften zu transportieren. Um einige Filme wie zum Beispiel »Fahrenheit 451«, »Fight Club« und »300« hat sich geradezu ein Kult in der extremen Rechten entwickelt.

Bei ihrer Suche nach kulturellen Anknüpfungspunkten zur Platzierung ihrer Inhalte in der Gesellschaft greift CasaPound damit auf die Camouflage-Taktik aus dem ideologischen Fundus der Neuen Rechten und deren Ideen des »Kulturkampfs von Rechts« zurück. Zu dieser Strategie gehört auch die Umschreibung linker Geschichte. So thematisierte CasaPound in den letzten Jahren immer wieder verstorbene progressive Künstler und linke Politiker Italiens, aber auch internationalistische Befreiungskämpfer wie Bobby Sands und Che Guevara. Deren politische Positionen und Kämpfe werden uminterpretiert und in einen nationalistischen, ethnozentristischen und antiamerikanischen Kontext gestellt.

Diese Art der Thematisierung linker Kernbereiche soll auch helfen, die Dichotomie von Rechts und Links aufzuheben. CasaPound will sich, ganz der Ideologeme der Neuen Rechten folgend, als Vereinigung beider vermeintlichen Enden des politischen Spektrums verkaufen. »Rechts und Links sind zwei veraltete politische Sichtweisen. Für uns besteht die Notwendigkeit der Geburt einer neuen Synthese«, so der Führer von CasaPound, Gianluca Ianonne, in einem im Jahr 2010 erschienenen Interview in dem neurechten Onlinemagazin »alternativ right«.

Ein weiteres Kernelement der neuen Rechten, dessen sich CasaPound bedient, ist der sogenannte Ethnopluralismus. CasaPound gibt sich als Vorkämpfer und Bewahrer kultureller Vielfalt und »ethnischer Identitäten«. Für sie kommt eine Mischung angeblich homogener Ethnien nicht in Frage, sie entspreche gar einem Genozid. Somit darf es auch keine Einwanderung nach Italien geben. Es gilt vielmehr, die Identität der Migranten, die bereits da sind, und die der Italiener zu schützen. Dabei geben sich die Mitglieder von CasaPound als nicht-rassistische, wertschätzende Kulturbewahrer sowie als Antikapitalisten, die die Schuld an Ausbeutung und Zuwanderung im internationalen Finanzkapital und der Globalisierung sehen.

Mit einer solchen Rhetorik unterläuft CasaPound alle politischen Kategorien und Muster, verwischt mit linken Schlagworten und modernen Aktionsformen ihre politischen Konturen und baut sich ein rebellisches Image auf. Es scheint, als ob mit CasaPound die Neue Rechte von den universitären Zirkeln auf die Straße gebracht und vom Kopf auf die Füße gestellt wird.

CasaPound verfügt über mehrere besetzte Zentren, 17 Provinzorganisationen, circa 20 Bars und 15 Buchhandlungen sowie über eine Vielzahl kultureller und sozialer Vereinigungen. Ihre Schüler- und Studentenorganisation »Blocco Studentesco« existiert in etwa 40 Städten. Dort initiiert sie Schulstreiks, Besetzungen und Proteste. Im Jahr 2009 erhielt der Blocco 28 Prozent der abgegebenen Stimmen bei den Wahlen zur Schülervertretung in Rom. Das waren rund 11 000 Stimmen und 100 Sitze. Zur Zeit sollen Vertreter des Blocco rund 40 Sitze in den Schülervertretungen einnehmen.

Doch auch international ist CasaPound aktiv. In Zusammenarbeit mit französischen Identitären unterhält die Bewegung eine eigene Nichtregierungsorganisation namens »Sol.Id.«, die »identitäre« Aufbauhilfe in Myanmar (Burma), Afrika und Kosovo praktiziert. Die CasaPound-eigene Zivilschutzorganisation »La Salamandra« wird immer wieder aktiv bei Erdbeben und Katastropheneinsätzen in Italien, unterstützt von weiteren medizinischen Freiwilligenorganisationen CasaPounds. Die eigene Umwelt- und Tierrechtsorganisation veranstaltet Proteste gegen Vivisektion und Umweltverschmutzung. Die Mütterorganisation tritt für bezahlte Erziehungsjahre ein.

»Penetrazione Fascista«

Und die Kampagne »Mutuo Sociale« wirbt für bezahlbaren Wohnraum. Die ebenfalls eigene Gewerkschaft BLU agitiert parallel zu Generalstreiks und stellt sich hierbei als Konkurrenz zu den großen Verbänden dar. Und für eigene Medien ist ebenfalls gesorgt: Zeitschriften, aber auch Internet-Zeitungen, -Videokanäle und ein eigenes Internetradio verbreiten die rechten Botschaften CasaPounds.

Dieser breite Unterbau an Organisationen erfüllt die Aufgabe der »Penetrazione Fascista«, der Durchdringung sozialer und kultureller Bereiche mit faschistischen Organisationen, die von der Bevölkerung als hilfreiche und reale Alternative zu staatlichen oder linken Organisationen wahrgenommen werden sollen.

So aufgestellt mischt sich CasaPound immer wieder in aktuelle soziale Auseinandersetzungen ein, agitiert gegen Privatisierungen von staatlichen Betrieben und Massenentlassungen, protestiert gegen die Verlagerung von Betrieben ins Ausland und polemisiert gegen Steuererhöhungen und Richtlinien der EU.

Getreu ihrem Namensgeber Ezra Pound gilt ihre Kritik nicht dem Kapitalismus an sich, sondern allein dem Bankenwesen und dem Finanzkapital. Die Lösung, die CasaPound anvisiert, ist die Re-Nationalisierung und Abschottung aller ökonomischen und kulturellen Bereiche Italiens. Ziel ist ein »organischer« Staat mit korporatistischem Gemeinwesen.

Mit den eingangs beschriebenen Protestformen versucht CasaPound, auf neu entstehende Bewegungen Einfluss zu nehmen und in ihnen Fuß zu fassen. Aktuellstes Beispiel sind die »Forconi« (Mistgabel-Bewegung), die Ende letzten Jahres mit Demonstrationen und Autobahnbesetzungen gegen die EU-Bürokratie protestierten. So erstürmte im Vorfeld einer Forconi-Demonstration der Vizepräsident von CasaPound, Simone Di Stefano, aus einer Gruppe Maskierter heraus den Balkon des EU-Sitzes in Rom und entwendete dort die blaue Europa-Flagge mit den zwölf gelben Sternen. Tenor der Anti-EU-Aktion war, die Brüsseler Institutionen als Besatzungsmacht zu verunglimpfen, die Italien die nationale Souveränität raube.

Zehn Jahre nach ihrer Entstehung nimmt CasaPound eine Vorbildfunktion für weite Teile der extremen Rechten in Europa ein. Immer wieder reisen Delegationen von rechtsradikalen Gruppen, Jugendorganisationen und Parteien nach Rom. Sie sind auf der Suche nach neuen Wegen der Umsetzung und Vermittlung ihrer politischen Positionen und finden in CasaPound einen willigen Ideengeber.

In Deutschland gibt es schon zahlreiche Bewunderer CasaPounds. Sie reichen von den Autonomen Nationalisten über die neurechten Magazine »Sezession« und »Blaue Narzisse« bis hin zu den Jungen Nationaldemokraten, der Jugendorganisation der NPD. Deren Vertreter reisten in den letzten Jahren gleich mehrfach nach Rom und berichteten darüber in ihrer Zeitung »Der Aktivist«. Eine besondere Blüte dieser Bewunderung stellt die Kreisgeschäftsstelle der NPD in Pirna dar. Diese heißt seit Oktober letzten Jahres »Haus Montag«, eine Reminiszenz an die erste Besetzung CasaPounds in Rom.

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