LINKE: Das Strafrecht von braunen Relikten befreien

Antrag im Bundestag: Von Minister Maas geplante Expertenkommission soll Novellierungsbedarf über Mord und Totschlag hinaus überprüfen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.
Spät wurden sie laut, doch jetzt sind sie nicht zu überhören, die Rufe nach einer Tilgung aller NaziDenkspuren im Strafgesetz. Die Bundesregierung reagiert, doch die LINKE meint: mit zu engem Blick.

»Der Gesetzgeber hat ihn [den Tätertypen - «nd»] ganz einfach hingestellt. Damit der Richter ihn ansehen und sagen kann: das Subjekt verdient den Strang.« Diese Sätze sind von Roland Freisler überliefert, dem einstigen Chef des faschistischen Volksgerichtshofes, auf dessen Konto Tausende Todesurteile gehen. Gesinnungsmerkmale wurden damals zum juristischen Kriterium in Strafprozessen. »Das Subjekt verdient den Strang« - der Satz beinhaltet die subtile Aufforderung an den Richter, eine moralische Bewertung anzulegen.

Das von den Nazis in dieser Weise generell umgestaltete Strafrecht ist in Teilen noch immer gültig, und man wundert sich, dass dies erst nun, fast 70 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches, behoben zu werden verspricht. Denn die bruchstückhaft zu findenden Rechtsnormen des Naziregimes entfalten durchaus ihre Wirkung, beispielsweise in Urteilen über Mord und Totschlag. Erst Tätermotive wie »Mordlust«, »Habgier« oder »Heimtücke« machen aus einer Tötung einen Mord.

In den letzten Monaten ist eine Debatte gereift, die nun in die Tat des Gesetzgebers zu münden scheint. Justizminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine entsprechende Reformierung des Strafrechts an. Eine Expertenkommission solle eingesetzt werden, um den rechtlichen Sachverhalt zu bewerten und eine Überarbeitung vorzubereiten, heißt es.

Die Linksfraktion im Bundestag unterstützt das Anliegen ausdrücklich. Allerdings weist sie darauf hin, dass eine Überarbeitung allein der beiden Paragrafen 211 und 212 des Strafgesetzbuchs dem Anliegen nicht genüge. »Wir glauben, das eine Reduzierung auf die Gesinnungsmerkmale allein bei Mord und Totschlag nicht ausreichend ist«, sagt Halina Wawzyniak, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion im Bundestag. Sie sieht über den Mordparagrafen hinaus prozessuale Fragen betroffen. Zum Beispiel sind Rechte von Beschuldigten betroffen, wenn diese ihr Recht zu schweigen wahrnehmen. Ein (»Gesinnungs-«)Mordmerkmal ist nur jemandem zuzuschreiben, wenn dieser sie äußert.

Der Deutsche Anwaltsverein macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass ein wesentliches kriminalistisches Ziel gerade deshalb darin darin, Beschuldigte zum Sprechen zu bringen. Die LINKE geht in einem eigenen Antrag über die Überprüfung der beiden Tötungsparagrafen deshalb hinaus: Wawzyniak: »Wir wollen eine Kommission, die das gesamte Strafrecht auf NS-Normen, insbesondere Gesinnungsmerkmale untersucht und Änderungsvorschläge unterbreitet. Die Zeit dafür ist reif.« Das von ihr gewünschte Expertengremiums soll das Strafgesetzbuch »auf die Normierung von Tatbestandsformulierungen, insbesondere Gesinnungsmerkmalen, aus der NS-Zeit« untersuchen und »bis Ende 2015 konkrete Veränderungsvorschläge zur Bereinigung des StGB« unterbreiten.

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