Die abgenabelte Insel

Die Kanareninsel El Hierro versorgt sich als erste komplett mit Strom aus erneuerbaren Quellen

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf der Kanareninsel El Hierro ist kürzlich ein Pumpspeicherwerk in Betrieb genommen worden. Damit wird sie die erste Insel sein, die ihren Strom vollständig aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt. Das hat der für Energie zuständige Staatsekretär Anfang der Woche erklärt. Enrique Hernández Bento schränkte ein, dass das Pumpspeicherwerk derzeit noch im Probebetrieb läuft und erst im Juni seinen normalen Betrieb aufnehmen wird. Dann werde man das angestrebte Ziel erreichen und die 280 Quadratkilometer große Insel mit ihren knapp 11 000 Bewohnern vollständig mit erneuerbarem Strom versorgen.

Herzstück in den Planungen ist das Wind-Wasser-Kraftwerk mit dem Namen »Gorona del Viento«. Es besteht aus zwei großen Wasserbecken. Im oberen Becken können 380 000 Kubikmeter Wasser gespeichert werden und im unteren Becken 150 000 Kubikmeter. Das obere Becken befindet sich in einem Vulkankrater, wodurch riesige Erd- und Baustofftransporte umgangen wurden, da der Krater die Struktur bildet. Der wurde mit einer wasserdichten und reparaturfähigen Schicht ausgekleidet.

In den Krater wird, von fünf Windgeneratoren angetrieben, das Wasser über zwei Röhren ins obere Becken auf etwa 700 Meter über dem Meeresspiegel gepumpt, wenn überschüssiger Windstrom vorliegt. Das geschieht über die Pumpen mit einer Stromaufnahme von sechs Megawatt vor allem nachts, wenn wenig Strom auf der Insel verbraucht wird. Die Windräder wurden aber mit einer Leistung von 11,5 Megawatt großzügig ausgelegt. Sie können damit weitaus mehr Strom liefern, als auf der Insel mit höchstens sieben Megawatt verbraucht wird.

Weht kein Wind und kann auch über andere erneuerbare Energiequellen nicht genug Strom erzeugt werden, stürzt das Wasser über vier Turbinen in die Tiefe in das untere Becken auf Meereshöhe in der Nähe des Hafens und erzeugt dabei den nötigen Strom. Der Präsident der Inselregierung Alpidio Armas ist überzeugt, dass Gorona del Viento »genug Energie erzeugen wird, um die gesamte Bevölkerung zu versorgen«. Er geht davon aus, dass auf der Insel in Zukunft 18 700 Tonnen klimaschädliches CO2 nicht mehr erzeugt und die Verbrennung von 6000 Tonnen Diesel vermieden wird.

Die Anlage dient aber nicht allein der Energieerzeugung, sondern auch als Speicher für Trinkwasser. Deshalb ist das obere Becken deutlich größer dimensioniert als das untere. Überschüssiger Strom wird auf den Inseln in Zukunft auch zur Meerwasserentsalzung eingesetzt. Da es auf der kleinen Kanareninsel nur wenig regnet, wäre sie ohne eine entsprechende Anlage praktisch unbewohnbar. Die für die Entsalzung eingesetzte Anlage ist der größte Stromverbraucher auf El Hierro.

Die Idee zu diesem umfassenden Projekt geht auf das Jahr 1997 zurück. Der Plan für »El Hierro mit 100 Prozent erneuerbarem Strom« wurde 2004 vom Unesco-Zentrum in Gran Canaria veröffentlicht. Zehn Jahre später ist er nun praktisch verwirklicht. Es handelt sich um ein Projekt, an dem neben der Inselregierung (60 Prozent) auch der Energieversorger Endesa (30 Prozent) und das Kanarische Technologieinstitut (10 Prozent) beteiligt sind. Knapp 65 Millionen Euro seien in die Anlage geflossen, heißt es auf der Webseite von Gorona del Viento.

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