Auf Augenhöhe
Detlef D. Pries versteht, dass Xi Jinping lernen, aber nicht belehrt sein will
Wer beim Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue zu Gast ist, soll zwar »keine Belehrung im klassischen Sinn« erfahren (Originalton Gauck), geht in der Regel aber nicht fehl, wenn er den Vortrag des Hausherrn gerade als solche versteht. Auch Chinas Staatspräsident Xi Jinping dürfte es am Freitag so empfunden haben, als er Joachim Gaucks Rede über »mehr Rechtsstaatlichkeit«, »mehr Entscheidungsfreiheit« und »mehr freien Wettbewerb« hörte. Xi wird freundlich zugehört, den Gastgeber gelobt und ihm auf klassisch chinesische Art zu verstehen gegeben haben, dass er sehr wohl lernen, aber nicht belehrt sein wolle.
Lernwille ist nicht nur eine alte chinesische Tugend, sondern im heutigen China geradezu staatsbürgerliche Pflicht. Die Pekinger Führung weiß um Unzulänglichkeiten, Konflikte und drohende Krisen im eigenen Land. Und sucht nach Lösungen - bevorzugt auch in Deutschland. Anders ist die Wertschätzung für beispielsweise mehr als 60 deutsch-chinesische Dialog- und Kooperationsmechanismen nicht zu verstehen. Allerdings wägt Xi vorsichtig ab, welche Lösungen für ein 1,3-Milliarden-Volk taugen. Übereilte Experimente kann er sich nicht leisten. Im Wissen um die wirtschaftliche Attraktivität und die gewachsene Stärke Chinas kann er jedoch selbst- und machtbewusst auftreten - und einen Dialog auf Augenhöhe verlangen.
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