Verhütung dank Batterie-Baby

Ein Praktikum in Amberg zeigt Teenagern, was es heißt, Eltern zu sein

  • André Jahnke
  • Lesedauer: 3 Min.
Es schreit und schreit - also ab mit dem Baby in die Waschmaschine! Zum Glück ist es nur eine Puppe. Ein Elternpraktikum in Amberg zeigt Schülern ihre Grenzen.

Amberg. Drei Tage Eltern spielen - sieben Teenager aus Amberg haben sich diesen Traum erfüllt. Sie haben sich für ein Elternpraktikum der Schwangerenberatungsstelle Amberg gemeldet. Dass die drei Tage auch schnell zum Alptraum werden, haben sie jedoch nicht geahnt. Babys sind nicht nur süß und riechen so gut, sie beanspruchen auch viel Zeit und bedeuten eine Menge Verantwortung. »Ich hätte nie gedacht, dass die Zeit so anstrengend wird«, sagt die 15-Jährige Pauline. Es habe nach dem Füttern eine Stunde bis zum erlösenden Bäuerchen gedauert. »Und dann hat das Ding auch noch die ganze Nacht geschrien.«

Das »Ding« ist eine 600 Euro teure präparierte Puppe. Ein Chip im Inneren speichert, wie die Teilnehmer Aktionen wie Füttern, Bäuerchen machen, Windeln wechseln und Wiegen erfüllen. Aber auch Misshandlungen wie Schütteln oder die fehlende Unterstützung des Kopfes wird aufgezeichnet. Ziel des Elternpraktikums, das die Beratungsstelle seit 2005 als eine der ersten und nach wie vor wenigen in Bayern vor allem für Schülerinnen anbietet, ist Prävention. »Wir wollen den Mädchen und jungen Frauen keine Motivation zum Kinderkriegen geben, sondern aufzeigen, wie schwer es ist, sich um Babys zu kümmern«, sagt Sozialpädagogin Julia Wiesend von der Beratungsstelle.

Wie schwer allein schon Freizeit und Familie unter einen Hut zu bringen sind, hat Aileen gespürt. Die 15-Jährige war das Projekt gemeinsam mit ihrem älteren Freund Dennis angegangen. In der ersten Nacht kümmerte sich der 22-Jährige um das »Baby«, stand fast jede Stunde auf und fütterte die schreiende Puppe. »Einmal wollte es die Flasche nicht, da habe ich den Kopf genommen und geschüttelt«. Der Computer in der Puppe zeichnete dies als schwere Misshandlung auf. Am Samstag übernahm Aileen. »Am späten Abend war ich dann so genervt, dass ich die Puppe in Decken gewickelt habe und in die Waschmaschine gesteckt habe.« Das Ergebnis der beiden fiel denn auch bescheiden aus. Bei Karina hat das Praktikum mit der Puppe sogar für einen kleinen Familienkrach gesorgt. Die 14-Jährige war schon in der ersten Nacht dermaßen von dem ständig quengelnden »Baby« genervt, dass sie »20 Kissen auf die Puppe gelegt« hat. Am nächsten Morgen hätten sich die Eltern beklagt, und Karinas Vater nahm kurzerhand die Batterie aus der Puppe. »Dann war Ruhe«.

»Es ist doch besser, die Mädchen merken die Überforderung im Rahmen des Praktikums als in der Wirklichkeit«, betont Carolin Müller. Die 30-Jährige ist Sozialpädagogin an den Schulen in Amberg und bietet dort mit großen Erfolg das Elternpraktikum an. Sie will Minderjährige, die noch in der Ausbildung sind, vor Schwangerschaften bewahren. »Anfangs glauben die Mädchen, dass eine Schwangerschaft nicht planbar ist. Aber nach dem Projekt ist ihnen klar, dass es anders geht und gehen muss«.

Es gibt auch Schülerinnen, die sich gut angestellt haben. Tagessiegerin ist Alisha, die 95 Prozent erreicht. Sie hat in den drei Tagen lediglich zweimal den Kopf der Puppe nicht richtig unterstützt und einmal Füttern und Im-Arm-Wiegen vergessen. Nüchtern sagt sie: »Ich will ganz sicher erst später Kinder haben. Wenn ich alt bin, mit 26 Jahren vielleicht.« dpa

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