Kiew droht mit »Lösung« in 48 Stunden

Russlands Präsident Putin warnt vor »unumkehrbaren Schritten« / Westen wiederholt Kritik an Moskau

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Drohungen aus Kiew und Barrikaden in der Ostukraine, gegenseitige Schuldzuweisungen - aber auch Hoffnung auf Dialog.

56 unverletzte Geiseln durften am frühen Mittwochmorgen das weiter besetzte Geheimdienstgebäude in Lugansk verlassen. Zuvor war die Lage als »besorgniserregend« bezeichnet worden. Aus Dnjepropetrowsk seien Schützenpanzerwagen nach Lugansk überführt worden, berichteten örtliche Medien. Die Vizevorsitzende des ukrainischen Nationalen Sicherheitsrats Viktoria Sjumar hatte aber noch in der Nacht via Facebook geäußert, dass eine Gesprächslösung zur Befreiung von Geiseln und Gebäude möglich sei: »Chancen gibt es.«

Damit schien sich in der Ostukraine die Auseinandersetzung trotz anhaltender Besetzungen von Verwaltungsgebäuden etwas zu entspannen. Die im Kiewer Parlament am Vortag erhobene Forderung nach Ausnahmezustand wurde nicht aufgegriffen. Innenminister Arsen Awakow gab sich aber unerbittlich. Der »Anti-Terror-Einsatz« gegen Separatisten in den Gebieten Donezk, Charkow und Lugansk werde fortgesetzt, bekräftigte er am Rande einer Sitzung des Übergangskabinetts. Zugleich bot er Dialog an. »Ich denke, dass in den nächsten 48 Stunden eine Lösung für diese Krise gefunden wird«, sagte er.

Vom Kreml kam prompt eine Warnung vor unumkehrbaren Schritten. Präsident Wladimir Putin wurde mit der Hoffnung wiedergegeben, die Führung in Kiew werde »nichts tun, was später nicht korrigiert werden kann«. Die EU forderte er zur Unterstützung der Ukraine auf. Sie habe ihr nichts zukommen lassen: »Nicht einen Dollar, nicht einen Euro.« Zugleich mahnte er, dem Gesprächsangebot zur Beruhigung der Lage eine Chance zu geben. Kiew und die USA beschuldigten erneut Russland, hinter den Aufrührern zu stecken.

Andere Erkenntnisse gewann der Abgeordnete Sergej Tigipko (Partei der Regionen). Nach seiner Rückkehr aus Lugansk erklärte der frühere Vizepremier, dass seine Gesprächspartner den Verdacht einer »russischen Unterstützung« zurückgewiesen hätten. Sie formulieren die Forderungen selbst. Mit Parlamentspräsident Alexander Turtschinow einigte sich Tigipko laut UNIAN auf eine Kommission zur Lösung der Probleme.

Die gibt es auch im anderen Landesteil. So stürmten laut Medienberichten prowestliche Demonstranten in der westukrainischen Stadt Lwiw das Gebäude der örtlichen Staatsanwaltschaft. Damit folgten sie dem Beispiel von Kiew, wo zu Wochenbeginn radikale nationalistische Demonstranten wie Parteigänger des extremistischen »Rechten Sektors« im Gebäude des Obersten Gerichts eine Sitzung der Richter sprengten.

Auf der internationalen Bühne forderte US-Außenminister John Kerry bei einer Senatsanhörung in Washington von Russland konkrete Schritte zur Entschärfung des Konflikts. Die müssten noch vor den für kommende Woche angesetzten Vierergesprächen mit den USA, Russland, der EU und der Ukraine erfolgen. »Die Arbeit an den Sanktionen läuft immer noch«, drohte derweil laut dpa eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beklagte mangelnde russische Kooperationsbereitschaft.

Ungeachtet der massiven Kritik aus Politik und den meisten Massenmedien lehnen 50 Prozent der Deutschen ein größeres NATO-Engagement ab, 42 Prozent wären laut einer Forsa-Erhebung für das Magazin »Stern« dafür. Ein direktes Eingreifen mit NATO-Truppen lehnen mit 77 Prozent sogar mehr als drei Viertel allerdings auch dann ab, wenn Russland Gebiete der Ukraine besetzen sollte; nur 16 Prozent plädieren dafür, eine russische Invasion mit Waffengewalt zu stoppen. Abgelehnt wird ein stärkeres Engagement der NATO vor allem von Ostdeutschen (57 Prozent) sowie den Wählern der LINKEN (70 Prozent).

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