Bosse halten faire Löhne für eine Zumutung

Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg warnt vor Arbeitsplatzabbau, IHK Cottbus fordert mehr Ausnahmen

  • Haiko Prengel
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit dem Mindestlohn hat Brandenburg schon Erfahrung: Bei öffentlichen Aufträgen ist er seit 2012 Pflicht. Eine flächendeckende Einführung lehnen Lobbyverbände wie die Dehoga strikt ab.

In Brandenburgs Wirtschaft gibt es große Vorbehalte gegenüber der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Eine flächendeckende Lohnuntergrenze von 8,50 Euro werde etliche Unternehmen in finanzielle Turbulenzen bringen und zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen, warnte der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Brandenburg (Dehoga).

Auch in Industrie und Handel überwiegt die Skepsis: In seinem jetzigen Entwurf werde das Gesetz in vielen Branchen für Schwierigkeiten sorgen, erklärte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Cottbus. Auch könne ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro dazu führen, dass gering qualifizierte Menschen, die in den Betrieben für einfache Arbeiten eingesetzt werden, künftig keine Beschäftigung mehr finden.

Was sagen der OWUS und die LINKE

* Nicht alle Unternehmerverbände sind gegen einen gesetzlichen Mindestlohn. Für seine Einführung ausgesprochen hat sich zumindest der Offene Wirtschaftsverband von kleinen und mittelständischen Unternehmen, Freiberuflern und Selbstständigen (OWUS). Der Vorstandsvorsitzende des OWUS Berlin-Brandenburg, Rolf Sukowski, verweist auf einen einstimmigen Beschluss der Mitgliederversammlung bereits im Jahr 2006. »Es wird immer von marktkonformen Löhnen gesprochen, selten von marktkonformen Gewinnen«, erklärt Sukowski. »Vielleicht führt ja der Mindestlohn auch in einigen Bereichen dazu, dass Gewinne auf ein Marktkonformes Maß zurückgeführt werden, zum Beispiel in Schlachthöfen.« Der OWUS mit rund 80 Mitgliedern in Berlin und Brandenburg steht der LINKEN nahe.

* Nach Einschätzung des Landtagsabgeordneten Andreas Bernig (LINKE) müsste ein Mindestlohn von zehn Euro bereits jetzt gelten, weil unterhalb dieser Marke keine »armutsfeste Rente« herauskomme. Jeder müsste wenigstens diese zehn Euro verdienen, auch Praktikanten. Eine Ausnahme ist für Bernig lediglich beim Lehrlingsgeld denkbar. »Eine faire Ausbildungsvergütung wären 750 Euro im Monat. Der Durchschnitt in Brandenburg liegt nur bei 600 Euro, viele Lehrlinge bekommen sogar nur 400 Euro.« Angesichts der Warnungen vor einem Arbeitsplatzabbau sagt Bernig, dabei werde nicht berücksichtigt, dass die Kaufkraft durch den Mindestlohn zunimmt. af

 

Die Bundesregierung plant zum 1. Januar 2015 einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Keine Branche wird ausgeklammert. Allerdings soll es Ausnahmen für Spargelstecher, Erdbeerpflücker, Taxifahrer oder Zeitungsausträger geben. Für sie können Arbeitgeber und Gewerkschaften noch bis Ende 2014 Tarifverträge mit niedrigeren Lohnuntergrenzen schließen. Die gelten dann längstens bis Ende 2016. Danach darf kein Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro in der Stunde bekommen.

Freilich müsse jeder von seiner Arbeit auch leben können, räumte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Olaf Lücke ein. Manche Betriebe in der Mark könnten es sich aber nicht leisten, selbst ungelernten Beschäftigten 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen. Dies gelte insbesondere für Hotels und Gaststätten in Regionen, wo der Tourismus nur im Sommer brumme. »Es ist ein Unterschied, ob ich ein Restaurant in Potsdam führe oder in der Uckermark oder in der Lausitz«, sagte Lücke.

Die IHK Cottbus fordert mehr Ausnahmen beim Mindestlohn. Die Regelungen für Auszubildende, Langzeitarbeitslose oder Praktikanten reichen nach Ansicht der IHK nicht aus. Auch könnten Betriebe künftig in Schwierigkeiten geraten, Azubis zu finden. »Ein Mindestlohn von 8,50 Euro auch für einfache Tätigkeiten setzt einen starken Anreiz für Jugendliche, nach der Schule statt einer Lehre eine ungelernte Arbeit aufzunehmen«, heißt es. Da das Eintrittsalter in eine Ausbildung normalerweise zwischen 18 und 21 Jahren liege, sollte der Mindestlohn erst ab 21 gelten, fordert die IHK.

Das Ressort von Brandenburgs Sozialminister Günter Baaske (SPD) stellte sich hinter die Pläne der großen Koalition in Berlin: Die Einführung des Mindestlohns sei ein »wichtiger und richtiger Schritt«, sagte ein Ministeriumssprecher in Potsdam. Die Kritik von Gemüseanbauern oder Gaststätten sei zwar naheliegend, laufe aber ins Leere: »Auch wer in diesen Bereichen arbeitet, hat einen fairen Lohn verdient, ohne dass der Steuerzahler Aufstockerei bezahlen muss.« Für den Gemüsebereich sei für Ende 2017 ohnehin ein tariflicher Mindestlohn von 8,50 Euro vereinbart worden. »Jetzt kommt er eben Anfang 2017.«

Für öffentliche Aufträge gibt es in Brandenburg bereits seit Januar 2012 einen Mindestlohn. Er lag zunächst bei acht Euro und wurde inzwischen auf 8,50 Euro erhöht. Er gilt auch für weniger qualifizierte Menschen wie Wachschützer oder Reinigungskräfte, die für das Land oder die Kommunen tätig sind. dpa

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