Tony Blair und die militanten Islamisten

Der britische Expremier wirft dem Westen mangelnden Widerstand gegen religiöse Extremisten vor

  • Ian King, London
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Ostukraine droht Krieg, zwischen Kreta und Cork zerfleischt die Austeritätspolitik die Armen - aber Tony Blair will den militanten Islam bekämpfen.

Nach Irak, Afghanistan mit 448 toten britischen Besatzern, nach Libyen und Syrien hat der ehemalige Premier noch immer nichts gelernt. In einem Vortrag im Londoner Büro des Nachrichtendienstes Bloomberg brandmarkte Tony Blair jetzt den Westen wegen mangelnder Bereitschaft, sich mit dem Einfluss religiöser Extremisten in der Politik zu befassen. Kleingeistige Reaktionäre wie die Muslimbrüder in Ägypten wollten ein intolerantes Reich der Gottesherrschaft. Der Islam, durch unwandelbare Doktrin gefestigt, sei die Wurzel antidemokratischer Gedankengänge im Nahen Osten und nicht etwa westliche Invasionen mit Hunderttausenden toten Muslimen.

Nicht alles in Blairs Rede war ein fader Selbstrechtfertigungsversuch. Eine Kritik an der westlichen Hochrüstung des Königreichs Saudi-Arabien bewies Einsicht, die Widersprüche der westlichen Syrien-Politik zeigte Blair ebenfalls auf. Aber hier befürwortete er kein tieferes Nachdenken, sondern einen Bombenkrieg gegen die Regierung Assad. Das diese Strategie vielleicht Al Qaida zum Sieg verhelfen würde - den angeblichen Islamistenbekämpfer ficht das nicht an. Was kümmert Tony Blair die Logik?

Der »Friedensmissionar« im Nahen Osten sieht sich offenkundig als Sprachrohr des ägyptischen Generals al-Sisi gegen die immerhin gewählte Regierung der Muslimbruderschaft. Abdel Bari Atwan vom Nachrichtenbüro Rai al-Youm wies im Gegenzug auf Blairs gut bezahlte Beratertätigkeit in der Region hin - und auf den trotz oder wegen Blair ausbleibenden gerechten Frieden. Kein Wort fand Blair gegen die fast 50-jährige Besatzung Palästinas oder Jerusalems Siedlungspolitik. Anshel Pfeffer von der liberalen israelischen Zeitung »Haaretz« schrieb: Blairs Rede hätte auch Bibi Netanjahu Wort für Wort so halten können, der rechte Premier Israels und der ehemalige britische Sozialdemokrat seien auf der gleichen Wellenlänge. Kein Wunder, wenn sich Blair am liebsten in Jerusalem aufhält; in Gaza kann und will kein Mensch sechsstellige Zahlen für seichtes Geschwätz ausgeben.

Chris Doyle vom Rat für arabisch-britische Verständigung monierte nicht Blairs Analyse - der militante Islam sei tatsächlich dabei sich auszubreiten - sondern die Schlussfolgerungen: Der notwendige Kampf finde nicht zwischen Militärdiktatur und islamistischem Extremismus wie in Kairo statt, sondern zwischen beiden Extrempositionen einerseits und einer modernen Demokratie andererseits. Vor 2003 habe es in Irak Al Qaida nicht gegeben, erst die amerikanisch-britische Invasion habe dem Islamismus Auftrieb gegeben. Kein Wunder, dass die Überlebenden von Bagdad und Basra durch bittere Erfahrungen radikalisiert worden sind.

Doch ein Parteifreund hält noch in Treue fest zu seinem ehemaligen Chef. Denis MacShane wurde durch die Bloomberg-Rede an Churchills Angriff auf den Eisernen Vorhang in Europa von 1946 erinnert. Churchill habe mit seiner Kritik am Stalinismus recht gehabt, Blair mit der Beschwörung der islamistischen Bedrohung ebenfalls. Pikant: Vor anderthalb Jahren verlor Blair-Freund MacShane sein Unterhausmandat und musste kurzfristig ins Gefängnis. Wegen gefälschter Rechnungen und Korruption.

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