Brasilien folgt Südafrikas Beispiel

Martin Ling über Großereignisse ohne Rücksicht auf die Armen

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.

»Wir haben eine Chance verpasst, der Welt ein anderes Brasilien zu zeigen.« Die Fußballweltmeisterschaft hat noch nicht einmal begonnen und doch wird ihr Verlauf an dieser Einschätzung nicht rütteln können. Die Aussage stammt von Carlos Alberto Parreira, Brasiliens Weltmeistertrainer 1994 und aktueller technischer Direktor des brasilianischen Fußballverbands. Was Parreira mit dem anderen Brasilien meint, ist ein Land mit einem modernisierten Verkehrs-, Bildungs- und Gesundheitswesen, was im Zuge der WM-Investitionen zumindest in Teilen von der Politik in Aussicht gestellt wurde. Geworden ist daraus nichts und die Besetzung einer Brachfläche nahe dem noch im Bau befindlichen WM-Stadion in São Paulo durch obdachlose Arbeiterfamilien am Wochenende ist der jüngste, aber sicher nicht der letzte Protest gegen die Missstände. »Während über eine Milliarde Reais (323 Millionen Euro) in das Stadion investiert werden, haben Tausende Familien keinen Wohnraum in Itaquera«, heißt es in der Erklärung der Besetzer.

Brasilien hat aus der Fehlentwicklung in Südafrika nichts gelernt. Rund sechs Milliarden Euro hat die WM dort den Staat gekostet. Versprochen wurde dem Land ein Wirtschaftsschub, der ebenso ausgeblieben wie der erhoffte Tourismusboom. Da gehen die Zahlen seit 2010 sogar zurück.

Was für Südafrika galt, gilt auch für Brasilien: Der Zustand des öffentlichen Gesundheits- und Bildungssektors ist ebenso wie die Wohnraumsituation katastrophal. Rund 5,5 Millionen Wohnungen fehlen in Brasilien und mindestens 15 Millionen Wohnungen im städtischen Raum befinden sich in erbärmlichem Zustand.

»Não vai ter Copa« (Es wird keine WM geben). Dieses Schreckensszenario für die FIFA ist zwar nicht wahrscheinlich, doch Spannung ist garantiert - und das ganz sicher nicht in erster Linie auf dem Spielfeld.

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