Ein Runder Tisch mit vielen Ecken und Kanten

Die OSZE hofft auf einen Vermittlungserfolg, doch die Übergangsregierung in Kiew will nicht mit »Separatisten« verhandeln

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Übergangsregierung in Kiew kündigte für Mittwoch einen »Runden Tisch zur Nationalen Einheit« an - allerdings ohne Vertreter der prorussischen »Separatisten«.

Die Einrichtung des Runden Tisches verdanken wir wohl König Artus und den Rittern seiner legendären Tafelrunde. Längst hat er Einzug in die Welt der modernen Diplomatie gehalten, an ihm sollen alle Verhandlungspartner gleichberechtigt Diskussionsvorschläge machen, ohne dass jemand ins Abseits gedrängt wird. Heute soll unter der Schirmherrschaft der OSZE ein solcher Tisch in Kiew stehen, um einen »pragmatischen« Übergang von der »Logik der Eskalation« zu einer »Logik der Zusammenarbeit« im Krisenstaat Ukraine anzuschieben.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa scheint trotz der jüngsten Querelen um die Militärbeobachter in der Ostukraine als Vermittler geeignet, und manche Beobachter glauben, dass sie sogar Erfolgschancen habe. Schließlich stünden inzwischen die amtierende ukrainische Regierung, die EU und die USA hinter dem Plan; vor allem aber habe auch Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter seine Unterstützung zugesagt.

Allerdings wartet auf den einstigen deutschen Spitzendiplomaten Wolfgang Ischinger, inzwischen Chef der NATO-affinen Münchner Sicherheitskonferenz, und seinen noch nicht benannten ukrainischen Co-Moderator eine kaum lösbare Aufgabe. Die OSZE will sich für den »Verzicht auf Gewalt, Entwaffnung, nationalen Dialog« einsetzen und die Kiewer Regierung unterstützen, damit am 25. Mai unter günstigen Bedingungen »faire und freie Wahlen im ganzen Land« abgehalten werden können. Letzteres halten viele in wie außerhalb der Ukraine schlicht für unmöglich. Womit sich auch die Frage stellt, wer gleichberechtigt am Runden Tisch Platz nehmen soll.

Ministerpräsident Arseni Jazenjuk versuchte sich am Dienstag während einer Pressekonferenz mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf dem Kiewer Flughafen als Quizmaster, als er die Frage nach dem Leiter der Regierungsdelegation mit »ein ehemaliger ukrainischer Präsident« beantwortete. Kutschma etwa oder Krawtschuk? Natürlich der Beste, so Jazenjuk. Moskau kann sich nur einen direkten Dialog zwischen der Übergangsregierung und den Vertretern der Regionen im Südosten vorstellen. »Ich denke nicht, dass da Leute mit Waffen kommen«, antwortete wiederum Burkkalter auf die Frage, ob auch »Separatisten« mitdiskutieren dürften.

Die Übergangsregierung jedenfalls hat sie am Dienstag nicht zum »Runden Tisch für die Nationale Einheit« eingeladen. Verhandlungen seien nur mit Kräften möglich, die »legitime politische Ziele« und »kein Blut an den Händen« hätten. Dagegen sollen Kandidaten der Präsidentenwahl am 25. Mai sowie »führende Persönlichkeiten« aus den Regionen Donezk und Lugansk in die Oberste Rada kommen. Moskau kritisierte, der »Unwille« der Machthaber in Kiew zu direkten Gesprächen mit ihren Gegnern sei ein ernsthaftes Hindernis.

Die Beratungen des Runden Tisches sollen nach dem OSZE-Plan durch öffentliche Konferenzen (Town Hall Meetings) in verschiedenen Städten ergänzt werden; Hauptthemen wären laut Burkhalter unter anderem eine stärkere Dezentralisierung und ein gesicherter Status der russischen Sprache. Nur sind die bestimmenden Kräfte im ukrainischen Südosten nach ihrem Referendum und der Bitte um Aufnahme in die Russische Föderation schon mehr als einen Schritt weiter.

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