Schriftsteller in Fußfesseln

Jörg Albrecht wieder frei

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Viele Freunde unter Schriftstellern hat sich das arabische Emirat Abu Dhabi mit der Verhaftung des Berliner Autors Jörg Albrecht nicht gemacht. Lesungen während der dortigen Buchmesse wurden aus Protest abgesagt. Albrecht selbst und auch sein Verleger Thorsten Ahrend werden in Zukunft »sicher nicht« zu weiteren Buchmessen ins Emirat reisen. In Hinblick auf die zahlreichen internationalen Sport- und Kulturveranstaltungen in der Region erschüttert vor allem die Rechtlosigkeit.

»Ein Schriftsteller in Fußfesseln ist kein schöner Anblick«, sagt Thorsten Ahrend dem »nd«. Der Leiter des Belletristikprogramms des Göttinger Wallstein- Verlags war Zeuge, als in Abu Dhabi Albrecht dem Gericht in jener dort üblichen Fesselungsform vorgeführt wurde. Der Vorwurf: Albrecht hatte offenbar Botschaftsgebäude fotografiert. »Ich war vielleicht etwas naiv. Aber ich bin sehr an Architektur und Stadtplanung interessiert und fand da auch Abu Dhabi sehr reizvoll«, sagt der Autor im Gespräch mit »nd«.

Das Auswärtige Amt warnt in seinen Reiseinformationen zu Abu Dhabi zwar davor, dass man sich »strafbar macht beim Fotografieren/Filmen von militärischen Anlagen, Häfen, Flughäfen, Herrscherpalästen, öffentlichen Gebäuden, Industrieanlagen und Erdöl-/Erdgasanlagen«, als übliche Konsequenz wird aber nur die Beschlagnahme der Kamera oder der Datenträger genannt. Die Verhaftung ist völlig übertrieben. Albrecht äußerte gegenüber dem »nd« die Vermutung, dass er einer Verwechslung zum Opfer gefallen sei. »Über verschiedene Kanäle wurde mir gesagt, dass der Geheimdienst auf eine andere Person gewartet habe, die Botschaftsgebäude ausspionieren wollte. Nach all den Geschichten, die ich gehört habe, weiß ich aber nicht, ob ich das glauben soll.«

Für schlimmer als die Verhaftung selbst hält Albrecht die lange Ungewissheit. Seine Haftbedingungen hingegen seien annehmbar gewesen. Auch Verleger Ahrend beklagt vor allem Ungewissheit und Machtlosigkeit. »Wir hatten 30 Stunden lang keine Auskunft über den Verbleib von Jörg. Wir haben auch gedacht, dass es im Interesse der Messe sein müsste, einen Skandal zu vermeiden. Wir haben gehofft, dass die Messe dies über ihre Kanäle klären könnte, aber vergebens«, sagt er. Er fragt sich, was gewöhnliche Touristen, die nicht mit dem Status des Gastes einer Buchmesse im Land unterwegs sind, gewärtigen müssen.

Am 1. Mai kam Albrecht in Abu Dhabi an und wurde wenige Stunden später beim Weg vom Hotel zur Messe festgenommen. Erst in der Nacht vom 13. zum 14. Mai durfte er das Land verlassen.

Jörg Albrecht machte vor neun Jahren als Gewinner des Open-Mike-Wettbewerbs der Literaturwerkstatt Berlin auf sich aufmerksam. 2007 gründete er die Performancegruppe copy & waste und trat hier vor allem als Autor von Texten in Erscheinung, die die Irrfahrten von Subjekten in sich auflösenden und neu formierenden sozialen, ökonomischen und politischen Kontexten zum Thema haben. Er veröffentlichte auch vier Romane. Aus dem Gefängnisaufenthalt nehme er vor allem die Sympathie der vielen Gastarbeiter aus Asien als gute Erfahrung mit, sagte Albrecht.

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