Verfassungsschutz - nah dran an den Menschen

Thema Hass: Konferenz in Berlin zu politischem Extremismus - Innensenator wünscht sich mehr Dialog

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Berlins Innensenator Henkel wünschte sich auf einer Tagung zu »Hass als politisches Programm« einen Dialog zwischen Verfassungsschutz und Zivilgesellschaft.

In Episode 1 der nachgeschobenen Star Wars Trilogie von 1999 erklärt Yedimeister Yoda, woher Hass kommt und wohin er führt: »Angst führt zu Wut, Wut führt zu Hass, Hass führt zu unsäglichem Leid.« Den Satz zitierte der Politikwissenschaftler Eckard Jesse auf der Tagung »Hass als politisches Programm« am Donnerstag in Berlin, zu dem fünf Verfassungsschutzbehörden aus dem Osten eingeladen hatten.

Der Publizist und Kulturkritiker Karl Kraus (1874-1936) vermittelte seinerzeit eine ganz andere Sichtweise: »Hass muss produktiv machen, sonst ist es gleich gescheiter, zu lieben.« Kraus ist nicht als Gewaltverherrlicher bekannt. »Produktiv sein«, das bedeutet zunächst einmal handeln; und im Kraus’schen Verständnis die eigenen Handlungen danach auszurichten, die Lage zu verändern, um den Hass überflüssig zu machen.

Was die Verfassungsschutzbehörden unter »Hass« verstehen, zeigt bereits ein kurzer Blick auf das Tagungsprogramm: Es geht um politischen Extremismus. Von »Hass« wird dann selten auf der Tagung gesprochen - einerseits vermutlich, weil Hass als Motivation für politische Gewalttaten nicht immer zutreffend ist. Anderseits, weil der Blick auf »Hasskriminalität« ein mit der Extremismustheorie konkurrierender - aus den USA stammender - Theorieansatz ist, den sich die Verfassungsschutzbehörden bisher nicht zu eigen gemacht haben. Stattdessen ordnen sie politisch motivierte Straf- und Gewalttaten auf einem Links-/Rechtsschema an. Dazu kommem als drittes Motiv Islamismus und anderer »Ausländerextremismus«.

Die Tagung diene dem Verfassungsschutz dazu, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, erklärte Berlins Innensenator Frank Henkel zur Eröffnung. Und so gab sich der CDU-Politiker erfreut, dass viele Vertreter der Zivilgesellschaft im Publikum saßen. Er wünsche sich, dass diese viel häufiger mit der Behörde in den Dialog treten und ihn als »Partner und Servicedienstleister« verstehen, schließlich sei der Verfassungsschutz »nah dran« an den Menschen.

Doch für einen Dialog sind die Voraussetzungen nicht die besten. In der Zivilgesellschaft ist der Extremismusbegriff umstritten. Vertreter antirassistischer Vereine und Initiativen kritisieren die Gleichsetzung linker mit rechten Straftaten, und die damit einhergehende Verharmlosung rechter Gewalt.

Für die Verfassungsschützer ist deren gemeinsame Basis: die Ablehnung der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Als deren Vertreter richte sich der »Hass« sowohl von rechts als auch von links häufig gegen Polizeibeamte, so Ulrike Madest vom Verfassungsschutz Brandenburg. Linke Gewalt gegen Menschen wende sich in etwa der Hälfte der Fälle gegen Polizisten. Und auch in der rechten Szene hätten tätliche Angriffe auf Staatsbeamte in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Für ihren Vortrag »Polizei als Hassobjekt« untersuchte sie linkes und rechtes Liedgut. Denn: »Hassmusik mobilisiert und idealisiert junge Menschen«, erklärte sie. Von beiden Seiten werde der Polizei vorgeworfen, grundlos und brutal draufloszuhauen. Für Linke stecke die Polizei mit Nazis unter einer Decke - vor allem, wenn sie mit Gewalt Antifa-Blockaden auflöst, um die Aufmärsche von Neonazis zu ermöglichen. Auf der anderen Seite werfen Neonazis der Polizei genau das Gleiche vor: die Antifa, die Polizei und der Staat sei alles »einerlei«.

Politischem Extremismus wohnt ein Freund-/Feinddenken inne, wie Eckard Jesse überflüssigerweise auf der Tagung sagte. Dass das auch für die Vertreter des Extremismusansatzes gilt, hat beim Verfassungsschutz auch nach den Morden des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) offensichtlich nicht dazu geführt, das eigene Freund-/Feinddenken kritisch zu überdenken.

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