Zusammen lernt es sich leichter

Zwischenbericht stellt dem Pilotprojekt Gemeinschaftsschule ein gutes Zeugnis aus

Ein vom Senat veröffentlichter Zwischenbericht bescheinigt den Berliner Gemeinschaftsschulen gute Arbeit zu Integration und Inklusion. Nicht allen Schulen wird der Weg zum Pilotprojekt leicht gemacht.

Die Ergebnisse zur Lernentwicklung an den Berliner Gemeinschaftsschulen macht eines deutlich: Das Experiment gemeinsamen Lernens scheint geglückt. Ein kürzlich vom Senat veröffentlichter Zwischenbericht, dem vierten seit Einführung der Gemeinschaftsschule in Berlin, bescheinigt dem zum Schuljahr 2008/2009 eingeführten Pilotprojekt und seinen Schülern in den Bereichen Deutsch und Englisch am Ende der zehnten Klasse überdurchschnittliche Lernerfolge, insbesondere bei Schülern, die aufgrund ihres sozialen Hintergrundes zu Beginn der siebten Klasse noch als eher lernschwach eingestuft wurden.

Insgesamt nahmen 1029 ZehntklässlerInnen aus 13 der insgesamt 22 Berliner Gemeinschaftsschulen an der Erhebung teil. Um ein differenziertes Bild zu erhalten, wurden die Schulen in verschiedene Gruppen (ungünstige, mittlere und günstigste soziodemografische Zusammensetzung der Schüler) eingeteilt. Hierbei spielte eine Rolle, ob in den Familien vorwiegend deutsch gesprochen wird, welchen Bildungsabschluss die Eltern haben und wie viele Bücher in den einzelnen Haushalten vorhanden sind. Demnach haben SchülerInnen aus sozial benachteiligten Familien in den Bereichen Leseverständnis und Mathematik sogar höhere Lernerfolge erreicht als ihre Mitschüler, die zu Hause überwiegend deutsch sprechen. Ihre Lernrückstände aus der Grundschule konnten sie mit Eintritt in die Sekundarstufe I erheblich verringern, heißt es in dem Bericht, den das Beratungsunternehmen Rambøll Management Consulting zusammen mit der Universität Hamburg und dem Hamburger Institut für Bildungsmonitoring für den Bildungssenat anfertigte. Zum Vergleich zog der Bericht eine Gruppe Hamburger SchülerInnen aus 62 verschiedenen Schularten heran, die zuvor den gleichen Test gemacht hatten.

Insgesamt erzielten die Berliner Gemeinschaftsschüler in den Bereichen Leseverständnis ein erheblich, in Orthografie und Englisch ein geringfügig besseres Ergebnis als die Hamburger Vergleichsgruppe. Einzig im Bereich Naturwissenschaften und Mathematik hinken die Berliner den Schülern aus dem Norden deutlich hinterher. Der Bildungssenat sieht vor allem die bisherige Fokussierung auf die Bereiche Lesen und Rechtschreibung als einen Grund für das schlechtere Abschneiden, wie Sprecherin Beate Stoffers gegenüber »nd« erklärte. SchülerInnen an Gemeinschaftsschulen können außerdem innerhalb ihrer Gesamtstundenzahl auch nach ihren eigenen Interessen und Neigungen Fächer belegen. Mathe und Physik stehen da bei den meisten hinten an. Der Senat entwickelt momentan ein Maßnahmenpaket, um das schwache Abschneiden in diesem Bereich anzugehen. »Die bisherigen Ergebnisse aber zeigen, dass die Entwicklung der Gemeinschaftsschule hin zu einer Schule für alle Schülerinnen und Schüler von Fortschritten gekennzeichnet ist«, kommentiert Bildungssenatorin Sandra Scheeres den aktuellen Bericht.

Die Bildungspolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Regina Kittler, sieht das Engagement des Senats jedoch kritisch. »Aus dem Fördertopf von ehemals 22 Millionen Euro für Gemeinschaftsschulen sind nur noch knapp zwei Millionen übrig.« Außerdem sei das Förderbudget für Lehrkräfte an manchen Schulen um über die Hälfte gekürzt worden. »Es werden diejenigen benachteiligt, die jetzt erst anfangen, neue Strukturen aufzubauen.« Laut Kittler müsste mehr Unterstützung aus den Bezirken und der Landesverwaltung kommen.

An der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg wünscht man sich diese Unterstützung dringend. Erst kürzlich von Schulinspekteuren 14 Mal mit der Spitzennote A ausgezeichnet, gilt sie als eine der besten Schulen Berlins - und das, ohne eine gymnasiale Oberstufe zu haben. Dafür kämpfen nun Eltern und Schüler. »Es ist nicht nachvollziehbar, dass die von uns vorgeschlagenen räumlichen Alternativen nicht ernsthaft geprüft werden«, heißt es in einem Offenen Brief an Bildungssenatorin Scheeres. Sprecherin Beate Stoffers erklärte wiederum, dass es bereits am 27. Mai weitere Gespräche mit der Schulleitung und der Schulaufsicht geben wird.

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