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Rostocker Uni streitet um Ehrendoktor Snowden

Universitätsrektor Wolfgang Schareck stoppte Verfahren wegen fehlender »wissenschaftlicher Leistungen«

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Philosophische Fakultät, die den NSA-Enthüller Edward Snowden zum Ehrendoktor machen will, wehrt sich gegen das Veto des Rektors.

Die Universität Rostock macht nur selten von sich reden. Die älteste Alma Mater Nordeuropas gehört zu den kleineren Lehranstalten der Republik. Doch vor wenigen Monaten geriet die dortige Philosophische Fakultät weltweit in die Schlagzeilen. In einer Pressemitteilung vom November 2013 hieß es, man wolle die Möglichkeit prüfen, »dem US-amerikanischen Staatsbürger Edward Snowden die Ehrendoktorwürde der Fakultät zu verleihen«. Begründet wurde der Vorstoß »mit der herausragenden Bedeutung, die der Zivilcourage und dem zivilen Ungehorsam von Herrn Snowdens Handeln zukommt«. Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und NSA-Whistleblower als Ehrendoktor einer deutschen Uni! Die Kommentatoren überschlugen sich förmlich. Nicht alle waren begeistert. So hieß es bei »Zeit Online«: »Um nicht in den Verdacht zu geraten, sie wolle sich mit Snowden nur schmücken, sollte die Universität Rostock ihm den Titel daher nicht verleihen«.

Doch die Fakultätsleitung um Dekan Hans-Jürgen Wensierski ließ sich nicht beeindrucken. Man beauftragte acht Wissenschaftler mit einem Gutachten. Darunter Ex-Verfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem, der Soziologe Ulrich Beck und der US-amerikanische Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Die Gutachter empfahlen »einstimmig die Verleihung der Ehrendoktorwürde«. Folgerichtig votierte der Fakultätsrat am 9. April mit 17 Ja-Stimmen und nur zwei Gegenstimmen für die Eröffnung des Promotionsverfahrens.

Doch am Donnerstag schaltete sich Universitätsrektor Wolfgang Schareck ein und stoppte das Prozedere. In seiner Begründung verwies Schareck auf die fehlenden »wissenschaftlichen Leistungen« Snowdens. Diese seien laut Landeshochschulgesetz aber erforderlich. Sollten Fakultät und Rektor auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, müsste das zuständige Bildungsministerium in Schwerin entscheiden.

Zuerst geht das Verfahren jedoch zurück an die Philosophische Fakultät. Dort habe man bereits einen »prominenten Rechtsbeistand« damit beauftragt, die »Argumente Scharecks zu prüfen und zu widerlegen«, erklärte Fakultätschef Wensierski am Freitag gegenüber »nd«. Der Erziehungswissenschaftler wollte Scharecks Vorwurf so nicht stehen lassen. »Wir haben alles getan, um die wissenschaftliche Seriosität unter Beweis zu stellen«. Die »geisteswissenschaftliche Beurteilung der Leistungen Snowdens« hält er für erbracht, auch wenn Unirektor Schareck als Chirurg das nicht so sehe. Schließlich sei der Schriftsteller Walter Kempowski ebenfalls Ehrendoktor, obwohl dieser keine wissenschaftlichen Leistungen vorzuweisen habe. »Diese Leistungen werden aber von unseren Germanisten erbracht, die sich mit dem Werk Kempowskis beschäftigen«, so Wensierski. Auch Bundespräsident Joachim Gauck ist seit 1998 Ehrendoktor der Universität Rostock. Auf welche wissenschaftlichen Leistungen der ehemalige Pfarrer zurückblicken kann, bleibt ebenfalls Geheimnis der Uni Rostock.

Ein leuchtendes Beispiel für die »strenge« Auslegung des Landeshochschulgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern ist die Universität Greifswald. Dort wurde der Kanzlergattin Hannelore Kohl bereits im Jahre 1995 der Ehrendoktortitel verliehen, obwohl diese nicht einmal einen Uni-Abschluss hatte.

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