Auf den Wegen eines Mörders

Theater Rampe aus Stuttgart zeigt »Kongo-Müller« im Theaterdiscounter in der Klosterstraße

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

In Erinnerung an eine schockierende Dokumentation der DDR-Filmemacher Walter Heynowski und Gerhard Scheumann aus dem Jahr 1966 geht es im Theaterdiscounter auf die Reise. »Der lachende Mann - Bekenntnisse eines Mörders« bewegte die Künstler Laurenz Leky und Jan-Christoph Gockel dazu, sich Jahrzehnte später in den Kongo zu begeben und nach deutschen Spuren und denen des »Kongo-Müller« genannten Söldners zu suchen, der dort in den 1960er Jahren an der Niederschlagung der Simba-Rebellion mitgewirkt hatte.

In ein Münchener Studio gelockt, prahlte Siegfried Müller danach in dem Film ohne jegliches Schuldbewusstsein mit begangenen Grausamkeiten. Sein dabei zur Schau gestelltes dauerhaftes Grinsen gab dem Film den Titel, in den Dokumentarisches seiner »Söldnerarbeit« eingearbeitet wurde und unter anderem seine Aussage: »Ich bin dagegen, dass man Blut vergießt, das habe ich im Kongo bewiesen« ad absurdum führte.

Wer den Film einmal sah, wird den makaberen Auftritt dieses Mannes nie vergessen. Dass damals der Zweck die Mittel für dieses Interview heiligte - Major Müller bekam nicht mit, dass es sich um ostdeutsches Fernsehen handelte und soff sich während des Gespräch redselig - wurde allgemein akzeptiert. Kritiker mahnen diese zwei Fakten an. 37 Länder kauften den Film aus der DDR. Im Westen Deutschlands war die Aufführung des Werks aus den sozialistischen Ausland verboten.

Die jetzt entstandene Theaterproduktion »Kongo Müller« mit Laurenz Leky in der Regie von Jan-Christoph Gockel ist mehr als die Auseinandersetzung mit dem Ereignis Film. Angesichts der eifrigen Waffenexporte und der aktuell zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr geht es um deutsche Geschichte. Leky und Gockel sind nun auch in Berlin eingereist, denn die Produktion entstand im Theater Rampe in Stuttgart. Hier wird sie auf Grund anderer räumlicher Bedingungen etwas verändert.

Mit dem Gastspiel der baden-württembergischen Bühne beginnt eine als langfristig beabsichtigte Kooperation des Theaterdiscounters mit dem Theater Rampe. Beide Bühnen ohne festes Ensemble fühlen sich der Gegenwartsdramatik verpflichtet. »Wir kennen uns natürlich aus bisheriger sporadischer Zusammenarbeit, können aber gemeinsam mehr wagen«, sagt Theaterdiscounterchef Georg Scharegg. Es gehe darum, Kraft zu bündeln, weitere Fördermöglichkeiten für Produktionen zu finden, bei den Gastspielen die Risiken, die Kosten, auch die Einnahmen zu teilen. In Vorbereitung auf die »Kongo-Müller«-Aufführungen ermöglichte der Theaterdiscounter den neuen Partnern eine Konzeptwoche in seinen Räumen in der Klosterstraße. Theater Rampe konnte hier an einem neuen Stück arbeiten. Und noch in diesem Jahr wird die im Theaterdiscounter entstandene Produktion »Tasso« in Stuttgart gastieren.

Die Kooperation soll Feuer entfachen. So charakterisieren es die beiden Stuttgarter Theaterchefinnen von Rampe Marie Bues und Martina Grohmann. Scharegg, noch sichtbar gestresst von den ihn nun langsam verlassenden Ängsten um die Konzeptförderung seines Hauses, kann solcherart Kraftquelle gut brauchen. Endlich könne er auch wieder planen, sagt er. Dabei sieht er sich zwei sehr engagierten Frauen gegenüber, die vor Ideen zu sprühen scheinen und mit Humor und Herz an die neue Partnerschaft gehen. Im Gegenzug beeindruckte die Stuttgarterinnen die unkomplizierte Herangehensweise des neuen Berliner Theaterpartners bei der Planung ihrer hiesigen Arbeitswoche. Der Vernetzungsgedanke ist den beiden Stuttgarter Theaterfrauen enorm wichtig. Die freie Szene im süddeutschen Raum sei etwas anders. Die »Wir-bleiben-unter-uns«-Herangehensweise sei noch verbreitet. Dem wollen sie sich entgegenstellen. Beide Seiten können dabei gewinnen.

Nun erst einmal wartet Theater Rampe mit einer Inszenierung hier auf, die in Stuttgart für Aufsehen sorgte. Der Reaktion des Berliner Publikums sehen die Künstler mit Spannung entgegen.

»Kongo Müller«: 29.-31.5., 20 Uhr, Theaterdiscounter, Klosterstraße 44, Mitte, Tel.: (30) 28 09 30 62; www.theaterdiscounter.de

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