Arienglück und Intrigen

Händel in Göttingen

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 2 Min.

Händels »Faramondo« gehört zu den schnell geschriebenen, gleichwohl höchst souveränen Werken, mit denen der Platzhirsch der Londoner Opernszene gegen den Wandel des Publikumsgeschmacks anschrieb, der seinen Erfolg bedrohte. Mit einer heute unvorstellbaren Geschwindigkeit (zwischen dem Beginn der Komposition und der Uraufführung 1738 lagen gerade mal acht Wochen!). Ein Genie, das wusste, wie es »ging«.

Der Plot ist selbst für barocke Libretto-Verhältnisse extrem verwickelt bis haarsträubend. Da will ein König einen Mord rächen. Als Opfer kommen der Titelheld und seine Schwester in Betracht. Wobei jedem der Akteure eine amouröse Leidenschaft ins jeweils verfeindete Lager in die Quere kommt. Wenn man Blutrache und Selbstaufopferung nicht für normal hält, ist das alles ziemlich absurd. Hinzu kommen die jähen Wendungen, die sich auch in den kleinsten Rezitativen vollziehen können. Wobei von Mord und Totschlag, Rache und Selbstaufopferung mehr geredet wird. Am Ende überleben sie alle. Damit sie sich zum obligaten lieto fine auch aussöhnen können und die richtigen Frauen in den Armen der richtigen Männern liegen, muss notfalls die dramaturgische Brechstange ran.

Hätten Regisseur Paul Curran und sein Ausstatter Gary McCann die Geschichte in dem vorgesehenen Herrschermilieu belassen, müsste man die allesamt aus ihren Führungsämtern entfernen und wegschließen. Aber in dem mafiösen Oberschichtenambiete von heute wirkt die ganze Geschichte irgendwie vorstellbar. Ganze Jahrgänge von Fernsehserien funktionieren in etwa genauso.

Zum Glück wird nicht geredet, sondern gesungen. Und wie! Eine Arie jagt die nächste. Und viele davon mit dramatischem Furor und alle mit melodischer Raffinesse. Und das spielen die Protagonisten durchweg aus. Allen voran Emily Fons, die mit ihrem kräftigen und flexiblen Mezzo Faramondo zum Titelheldenprofil verhilft. Doch auch Anna Starushkevych als seine Angebetete Rosimonda oder Anna Devin als Faramondos Schwester Clotilde, die natürlich gänzlich unpassend mit Adolfo (Counter Maarten Engeltjes) den Sohn des Königs Teobaldo (Bass Njal Sparbo) liebt, der partout das Blutopfer will ... Hinzu kommt mit Christopher Lowrey als Schwabenkönig Gernando noch ein Counter, der den ausgeflippten Rockstar mit Fetischobsession geben und die Sache noch mal verkomplizieren darf.

Mag sein, dass es an dem Libretto von Apostolo Zeno liegt, aber nach dem Arien- und Orchesterfeuerwerk, das der Festspielchef Laurence Cummings mit dem wunderbaren FestspielOrchester mit diesem festspielwürdigen Ensemble zündet, fragt man sich schon, wieso »Faramondo« so selten gespielt wird. Halle bildete 1976 die lobenswerte Ausnahme - kann gut sein, dass sich das jetzt ändert. In Göttingen wurde jede Arie zur puren Verführung bzw. Händel-Reklame. Der Jubel war ungebremst.

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