»Leute, die sich bereit erklärt und keine Angst haben«

Der Kommunist Wladimir Kosolapow über seine Tätigkeit als Mitglied des Rates der »Volksrepublik Donezk«

  • Lesedauer: 3 Min.
Wladimir Kosolapow ist stellvertretender Vorsitzender der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) im Donezker Woroschilow-Bezirk. Der 53-Jährige ist eines der 150 Mitglieder des Rates der »Donezk-Volksrepublik« und Geschäftsführer einer kleinen Baufirma. Seine Mutter ist Ukrainerin, sein Vater Russe. In Doenzk sprach mit ihm Ulrich Heyden.

nd: Warum beteiligen sich die Bürger von Donezk nicht massenhaft an der Unterstützung der Donezk-Republik? Mehr als 5000 Demonstranten habe ich nie gesehen.
Kosolapow: Die größte Kundgebung in Donezk gab es am 1. März. Damals kamen 17 000 Menschen. Jetzt kommen weniger. Viele Menschen sind es gewohnt, Zuhause zu sitzen und zu hoffen, dass jemand etwas für sie unternimmt.

Hoffen diese Menschen auf die russischen Streitkräfte?
Manche. Ich bin der Meinung, dass russische Streitkräfte nicht erforderlich sind. Hier gibt es genug militärisch ausgebildete Menschen, die in der Lage sind, ihre Interessen zu verteidigen.

Man hat den Eindruck, dass die Leute im Westen der Ukraine eher bereit waren, für eine Assoziierung mit der Europäischen Union auf die Straße zu gehen.
In der Westukraine wussten die Leute, dass sie Geld bekommen, wenn sie zum Maidan fahren. Es ist kein Geheimnis, dass Geld aus Amerika kam, mit dem Essen und Ausrüstung bezahlt wurde. In unserer Region müssen die Leute, die uns unterstützen, zur Arbeit gehen und Geld verdienen.

Wie gelang es dem Oligarchen Rinat Achmetow, Mitarbeiter für Demonstrationen zu mobilisieren?
Entweder Du beteiligst Dich an der Demonstration des Unternehmens oder du wirst entlassen. Bei unseren Demonstrationen ist es genau andersherum.

Wie wurde der Rat der »Volksrepublik Donezk« gebildet?
Es wurde ein bisschen improvisiert. In dem Rat sitzen Leute, die sich bereit erklärt haben. Es sind Leute, die keine Angst haben.

Das Risiko für die Mitglieder des Rates ist ziemlich groß.
Uns allen drohen 15 Jahre Gefängnis bis lebenslänglich. Aber wenn man Angst hat, erreicht man nichts.

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?
Ich bin in der Sowjetunion aufgewachsen und ich diente in der sowjetischen Armee. Ich erinnere mich, wie es damals war. Ich sehe, was für eine Unterstützung ich von Nachbarn, Bürgern der Stadt und Freunden bekomme. Und ich sehe, dass diese Unterstützung vom Herzen kommt. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir siegen werden.

In der besetzten Gebietsverwaltung gibt es viele junge Leute mit Waffen, die vor allem stolz sind, Waffen zu tragen.
Ja, das stimmt. Ich hoffe, dass bald Ordnung geschaffen wird und nur die richtigen Leute Waffen haben.

Unterstützt ihre Partei die Besetzung der Gebietsverwaltung?
Von den insgesamt 150 Mitgliedern des Rates der Volksrepublik Donezk sind sechs Mitglieder der KPU. Mir persönlich gefällt die weiche Position unserer Parteiführung nicht. Vielleicht hat das damit zu tun, dass unsere Mitglieder unter den Repressionen im Westen und im Zentrum der Ukraine leiden.

Stimmt es, dass im Rat der Volksrepublik viele russische Nationalisten und Chauvinisten sitzen?
Im Rat sitzen ausschließlich Leute mit ukrainischem Pass.

Sie wollen, dass Lugansk und Donezk ein Teil von Russland werden oder dass die beiden Gebiete einen neuen Staat bilden?
Es geht nicht nur um Lugansk und Donezk. Es geht auch um die Gebiete Charkow, Nikolajew, Saporoschje, Dnepropetrowsk, Cherson und Odessa. Außerdem geht es darum, die Ukraine von Faschisten zu säubern. Warum sollen wir Faschisten unser Territorium abtreten?

Gibt es nicht auch gemeinsame Interessen mit dem Maidan?
Es gibt gemeinsame soziale und politische Forderungen. Wenn man nicht versucht hätte, dem Südosten der Ukraine eine Meinung aufzuzwingen, wenn es nicht die Verfolgung von Andersdenkenden und die offen faschistische Rhetorik gegeben hätte, würden wir wahrscheinlich jetzt gemeinsam die neue Ukraine aufbauen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal