Pumpen bis ans Ende aller Tage

Steinkohlebergbau-Kompetenz »Made in Germany« soll exportiert werden

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit den Chancen und Risiken das Steinkohle-»Nachbergbaus« beschäftigte sich am Dienstag eine Konferenz in Essen.

Wenn in vier Jahren die letzte deutsche Steinkohlezeche schließt, ist die Geschichte des »schwarzen Goldes« längst nicht abgeschlossen. Ohne ständiges Abpumpen stünden weite Teile des Ruhrgebiets bald metertief unter Grubenwasser. Jährlich melden Bürger 35 000 Bergschäden, besonders Risse in Mauern. Nach Expertenschätzung werden die Ewigkeitskosten des Bergbaus über 200 Millionen Euro pro Jahr betragen.

In der Essener Zeche Zollverein hat der »Nachbergbau«, die Zeit nach der Förderung der Steinkohle, längst begonnen - das sehenswerte Industriedenkmal fungiert als Museums-, Gastronomie- und Veranstaltungsort. Nicht zufällig wurde eine Konferenz zu dem Thema an diesem Ort ausgerichtet. Geladen hatte die RAG-Stiftung, die die Abwicklung des Steinkohlebergbaus stemmen und nebenbei Kultur, Wissenschaft und Bildung fördern soll. »Es ist unser Ziel, mit den Akteuren aus Politik und Gesellschaft und nicht zuletzt mit den Menschen in den Regionen den Wandel zu gestalten«, betonte der Stiftungsvorsitzende Werner Müller. Ruhr und Saar müssten auch nach dem Bergbau lebenswerte Regionen bleiben. Dafür sei Sorge zu tragen.

2018 ist Schluss

Der deutsche Steinkohlebergbau läuft Ende 2018 unwiderruflich aus - sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen. 1957 waren mehr als 600 000 Menschen in dem Industriezweig beschäftigt, Ende 2013 noch 12 500. Allein im vergangenen Jahr schieden über 2800 Menschen aus. In Nordrhein-Westfalen werden noch drei Bergwerke betrieben: Auguste Victoria (Marl) soll Ende 2015 schließen; Prosper Haniel (Bottrop) und das Bergwerk Ibbenbüren laufen bis zum Schluss. Im Saar-Revier wurde nach einer schweren Erderschütterung 2008 das Ende des Bergbaus auf Frühsommer 2012 vorverlegt.

Die Steinkohleförderung in Deutschland ist wegen der großen Fördertiefen und hohen Sicherheitsstandards nur mit Milliardensubventionen möglich. Mehr als vier Fünftel der hierzulande verbrauchten Steinkohle kommt aus dem Ausland. dpa/nd

 

Trotzdem fanden zwei prominente und geladene Sozialdemokraten nicht den Weg nach Essen - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der auch das Ressort Energie betreut, und der ebenfalls angekündigte In-frastrukturminister Nordrhein-Westfalens, Mike Groschek. Beider Reden »mussten leider aufgrund des Unwetters in Essen ausfallen«, ließ die RAG-Stiftung verlauten.

Trotz des Unwetters vom Montagabend, das einen kleinen Vorgeschmack darauf lieferte, was der auch durch Kohle angeheizte Klimawandel künftig an Extremwetterereignissen befördern wird, schlugen sich andere Prominente wie Energiegewerkschaftschef Michael Vassiliadis und Annegret Kramp-Karrenbauer, die Ministerpräsidentin des Saarlandes, nach Essen durch. »Nachhaltige Lösungen gelingen immer dann, wenn alle Beteiligten von Anfang an in Entscheidungsprozesse einbezogen werden«, sagte die Christdemokratin. Vassiliadis betonte die konstruktive Rolle der Gewerkschaften im erfolgreichen Wandel.

Einige Redner rieten, die Nachbergbau-Kompetenz »Made in Germany« global zu vermarkten. In Bochum wurde bereits ein entsprechender Studiengang etabliert. Insbesondere China wird als Zukunftsmarkt ausgemacht.

Noch vor anderthalb Jahrzehnten speiste sich der Stolz der Sozialdemokratie aus dem Bergbau, nicht aus dessen Abwicklung. Im November 1999 brach beispielsweise NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement eine Lanze für die »heimische« Steinkohle. Deren Chancen seien gut, wenn man gemeinsam handele und dem hoch subventionierten Energieträger »gleiche Chancen« wie den erneuerbaren Energien einräume.

»Steinkohle - die Energie für heute und morgen«, so war die Veranstaltung überschrieben. Doch seit 2007 ist das Ende der hiesigen Steinkohle ausgemacht - vor allem wegen milliardenschwerer Subventionslasten.

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