Entlassungen, deutsche Fußballfans und die Axt am EEG

Matthias Willenbacher über die Woche aus Klimarettersicht

  • Benjamin von Brackel
  • Lesedauer: 5 Min.

klimaretter.info: Herr Willenbacher, Juwi entlässt ein Viertel der Belegschaft. Die Bekanntgabe kommt kurz nach der Bundestagsabstimmung zur EEG-Novelle. Hatten Sie noch Hoffnung, dass Sie den Stellenabbau durch günstigere politische Rahmenbedingungen umgehen können?
Matthias Willenbacher: Wir müssen erkennen, dass die Einsicht in die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen stark abgenommen hat, vor allem auf vielen unserer europäischen Kernmärkte. So schmerzhaft die jetzigen Maßnahmen auch sind: Wir haben keine Alternative. Die nun weitgehend beschlossene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wird den Ausbau der erneuerbaren Energien eben gerade nicht beschleunigen – obwohl es klimapolitisch notwendig wäre. Der Bioenergie-Ausbau wird fast zum Erliegen kommen. Und die sogenannte Stichtagsregelung für Windenergie-Projekte hat dem Markt das Vertrauen entzogen.

Schon seit 2012 richten wir uns immer wieder neu aus, weil sich die politischen Vorgaben für die Förderung erneuerbarer Energien ständig ändern. Damals hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung effektiv den Ausstieg aus der solaren Stromerzeugung eingeleitet. Was wir jetzt tun, ist also ein Resultat der schlingernden Energiewende: Die Rahmenbedingungen haben sich drastisch verändert, vor allem in einem früheren Kernsegment der Juwi-Gruppe, dem Bau großer Solaranlagen in Deutschland. Dieses Marktsegment gibt es seit dem letzten Jahr in Deutschland so gut wie nicht mehr.

Wären die energiepolitischen Signale der letzten Wochen und Monate positiver gewesen, hätten wir mehr Zeit für den Umbau gehabt und der Stellenabbau hätte sicher einen geringeren Umfang haben können. Ein robustes und zukunftssicheres Geschäftsmodell ist im jetzigen Umfeld aber nur mit drastischen Weichenstellungen zu erreichen.

Als Begründung haben Sie aber auch hausgemachte Fehler genannt. Was lief falsch?
Wir haben lange darauf vertraut, dass sich die Bedingungen für erneuerbare Energien in Deutschland und im europäischen Ausland wieder verbessern. Spätestens mit dem ersten Eckpunktepapier zur EEG-Novelle, das Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Anfang des Jahres vorgestellt hat, mussten wir erkennen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich hierzulande nicht beschleunigen. Das haben wir falsch eingeschätzt, und deswegen ist eine Neuausrichtung jetzt unumgänglich.

In Bildern gesprochen: Wir waren gut auf einer zweispurigen Autobahn unterwegs, und alle Zeichen haben darauf hingedeutet, dass die Strecke bald noch breiter und schneller zu befahren ist. Doch statt der dritten Spur kam eine Baustelle, die uns ausgebremst hat – errichtet mit freundlicher Unterstützung mehrerer Bundesregierungen. Unser Fehler war es, den klaren Zeichen – dem angekündigten Willen zu Klimaschutz, Unabhängigkeit und regionaler Wertschöpfung – zu sehr zu vertrauen und zu spät das Tempo zu drosseln. Dafür müssen wir die Verantwortung übernehmen.

Über ein neues EEG wird nicht alle Tage entschieden, die Berichterstattung in den überregionalen Zeitungen fiel aber vergleichsweise mager aus. Wie wollen Sie erreichen, dass auch in Zukunft Energie- und Klimathemen in den Medien eine Rolle spielen?
Worüber reden die Deutschen gerade am meisten? Über die Fußball-WM und das Abschneiden der deutschen Mannschaft. Da ist es doch klar, dass auch die Medien diesem Thema ihre Aufmerksamkeit schenken. Und als Fußballfan kann ich das zu einem gewissen Grad nachvollziehen.

Klar ist aber auch: Die großen Zeitungen haben die Chance vertan, kritisch über die EEG-Novelle und das damit verbundene Ausbremsen der Energiewende zu berichten. Denn nichts anderes ist Gabriels »Kohlebestandsschutzgesetz«. Das neue EEG nützt im Wesentlichen den Interessen der konventionellen Energiewirtschaft.

Aber eines ist ebenso klar: Die Mehrheit der Bundesbürger steht nach wie vor hinter der Energiewende, will sauberen Strom und eine nachhaltige Energieversorgung. Das erlebe ich in den vielen Gesprächen mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern, mit Energiegenossenschaften und Projektpartnern. Es geht jetzt darum, diese vielen Einzelstimmen zu bündeln und der Negativberichterstattung etwas entgegenzusetzen. Wir weihen zum Beispiel an diesem Wochenende einen 30-Megawatt-Windpark in Rheinland-Pfalz ein, der mehr als 20.000 Haushalte in der Region mit sauberem Windstrom versorgen soll. Das sind Schlagzeilen, die zeigen: Die Energiewende lebt und geht weiter!

Und was war Ihre Überraschung der Woche?
Überrascht, erfreut und erleichtert hat mich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Ökostrom-Umlage für importierten Windstrom. Hätten die Luxemburger Richter der Klage des finnischen Unternehmens gegen das Land Schweden Recht gegeben, hätte das unabsehbare Folgen gehabt, auch für die Energiewende in Deutschland. Die EEG-Umlage, die bei uns leider immer noch fast ausschließlich von den privaten Stromkunden aufgebracht werden muss, wäre dramatisch angestiegen, ohne dass für den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie dadurch zusätzliche Mittel bereitgestellt würden.

Erstaunlich auch die klare Aussage des Gerichts, dass die Beschränkung des freien Warenverkehrs innerhalb der EU »durch das im Allgemeininteresse liegende Ziel gerechtfertigt ist, die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zu fördern, um die Umwelt zu schützen und die Klima-Veränderungen zu bekämpfen«. Diese Zeilen sollte sich Sigmar Gabriel zu Herzen nehmen. Schließlich legt er gerade die Axt an das EEG: schädliche Ausschreibungsmodelle, Direktvermarktungspflicht, EEG-Umlage für den Eigenverbrauch – und das alles begründet mit den Prinzipien freier Marktwirtschaft.

Matthias Willenbacher, Gründer von Juwi und ausgezeichnet als Greentech-Manager des Jahres 2009.

Der Artikel auf klimaretter.info

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