»Juncker ist ein Mann der Vergangenheit«

Cornelia Ernst über die Anhörung des designierten Präsidenten der EU-Kommission in der Linksfraktion des Europäischen Parlaments

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: In der vergangenen Woche hat sich Jean-Claude Juncker in der Linksfraktion vorgestellt. Welche Erkenntnisse hat die GUE/NGL aus der Diskussion gewonnen?
Ernst: Die Diskussion hat deutlich gemacht, warum wir Juncker nicht als Kommissionspräsidenten wählen können. Juncker ist in unseren Augen ein Mann der Vergangenheit. Einer, der über die Geheimdienstaffäre in Luxemburg nicht nur gestolpert ist, sondern sie über viele Jahre sogar zugelassen hatte. Er ist ein Mann, der die Steueroase Luxemburg immer wieder verteidigt und ausgebaut hat. Und der nur deswegen beispielsweise gegen die Zypern-Vereinbarung war, die unter anderem die Kappung der Gelder auf den Banken ab 100 000 Euro vorsah, weil diese Regelung auch Folgen für Luxemburg haben könnte. Juncker ist durch nichts qualifiziert, eine EU zu führen, die nach vorne gehen, sozialer, demokratischer, gerechter und friedlicher werden muss. So hat er keinerlei wirkliches Konzept, wie den südeuropäischen Ländern aus der Krise geholfen werden könnte, wo wir Konjunkturprogramme und neues Denken brauchen. Wenn man sieht, was Juncker vorlegt, hätte man auch Barroso lassen können.

Das heißt, die GUE/NGL wird geschlossen gegen Jean-Claude Juncker stimmen?
Wir werden begeistert gegen Jean-Claude Juncker stimmen, weil es nichts gibt, was einen Aufbruch, eine positive Entwicklung zum Beispiel zur Bekämpfung von Armut in der EU signalisiert hat.

Trotzdem wird auch die Linksfraktion mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Kommissionspräsidenten Juncker leben müssen.
Ja.

Wie wird die Zusammenarbeit mit der Kommission aussehen? Wird die GUE/NGL auf Konfrontation gehen?
Ich kann mich nicht entsinnen, dass Barroso je mit uns zusammengearbeitet hätte. Da wird sich nichts ändern. Die sogenannte Zusammenarbeit wird über die jeweiligen Kommissare laufen, das ist klar. Wir werden natürlich an den Punkten versuchen, Druck zu machen, die jetzt wirklich relevant sind. Zum Beispiel hat Juncker gesagt, dass er sich vorstellen könnte, die Troika abzuschaffen oder zumindest demokratisch zu legitimieren. Da sind wir mal neugierig, wie er das der Kanzlerin beibringen will. Und natürlich auch bei solchen sensiblen Punkten wie Außenpolitik und dem Freihandelsabkommen TTIP, zu denen er in der Anhörung keinen Ton gesagt hat.

Wäre für die Linksfraktion die Wahl von Martin Schulz die bessere gewesen?
Das ist Sternenguckerei. Möglicherweise hätte es bei Schulz mehr Ansatzpunkte gegeben. Das liegt in der Natur der Dinge, Schulz ist ja Sozialdemokrat. Aber was wir ihm vorwerfen ist, dass es von Anfang an nur um einen Deal Schulz-Juncker ging, bei dem die Regierungen die Strippen gezogen haben.

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