Slowenen haben die Karten neu verteilt

Neuling Miro Cerar eroberte das Vertrauen derer, die noch an die Versprechungen der Politiker glauben

  • Thomas Roser, Belgrad.
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Parlamentswahl in Slowenien blieb die eine Hälfte der Wähler fern, die andere löste die erwarteten Verschiebungen aus. Politnovize Miro Cerar errang einen klaren Sieg, den die rechte SDS nicht anerkennt.

Gewinner haben immer guten Grund zur Freude. Lächelnd schnitt Sloweniens Wahlsieger Miro Cerar nach dem erwarteten Triumph seines nach ihm selbst benannten Parteineulings (SMC) im Blitzlichtgewitter der Fotografen eine mächtige Torte an. Mit 34,6 Prozent der Stimmen bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag teilt der Seiteneinsteiger künftig die Karten aus im Sieben-Parteien-Parlament von Ljubljana. Er werde »mit allen« reden, kündigte der 50-jährige Juraprofessor rasche Koalitionsverhandlungen an: »Die Leute wollen Veränderungen, weniger Streit - und mehr politische Ordnung.«

Die konservative Demokratische Partei (SDS) übte sich derweil in der Rolle des Spielverderbers und schlechten Verlierers. Die Wahlen seien weder frei noch fair gewesen, klagte sie. Denn wie in Belarus, Iran oder Russland habe »das Regime« den wichtigsten Gegenspieler »eliminiert«, begründete die Partei in einer Presseerklärung die Absicht, die Parlamentsarbeit zu boykottieren und durch »zivilen Ungehorsam« für die Annullierung des »illegitimen« Urnengangs zu streiten: Die SDS werde eine neue Regierung »nicht anerkennen«, denn deren Chef werde allenfalls ein »slowenischer Lukaschenko« sein. Die SDS war mit einem Wahlkampffeldzug für ihren wegen Bestechung zu zwei Jahren Haft verurteilten Parteichef Janez Janša nur auf 20,69 Prozent der Stimmen gekommen.

Doch auch ohne die sich selbst immer weiter ins Abseits manövrierenden SDS-Verweigerer stehen dem Wahlsieger Cerar für eine Koalition genügend Partner zur Auswahl. Mit der Rentnerpartei DESUS (10,2 Prozent), den neu formierten Vereinigten Linken (6,0 Prozent), den Sozialdemokraten SD (5,9 Prozent), dem christdemokratischen Neuen Slowenien NSi (5,5 Prozent) und dem neuen Bündnis der bisherigen Regierungschefin Alenka Bratušek ZAB (4,3 Prozent) haben gleich sieben Parteien den Sprung über die Vierprozent-Hürde geschafft. Während die Bauernpartei SLS (3,98 Prozent) noch auf die Auszählung der Stimmen der zahlreichen Briefwähler hofft, ist das Ausscheiden der bisher größten Regierungspartei aus dem Parlament sicher: Die erst 2011 gegründete Partei Positives Slowenien, beim letzten Urnengang noch Wahlsieger, purzelte mit nur 2,96 Prozent unter die 4-Prozent-Hürde.

Auch Neulinge genießen auf dem politischen Parkett Sloweniens nur begrenzten Kredit. Ob dem Seiteneinsteiger Miro Cerar mit seiner Regierungsmission mehr Erfolg als seinen Vorgängern beschieden sein wird, muss sich weisen: In den vergangenen drei Jahren sind drei Regierungen vorzeitig gestrauchelt. Das von Finanzkrise, endlosen Sparappellen und Affären ermattete Publikum scheint der Kapriolen seiner Volksvertreter ohnehin überdrüssig. Mitten in der Urlaubszeit ist die Beteiligung an der Parlamentswahl auf das historische Tief von knapp über 50 Prozent gesackt - fast ein Drittel weniger als beim letzten Urnengang drei Jahre zuvor.

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