Tausende Lehrer nur auf Abruf

GEW Hessen: Schluss mit dem Befristungsunwesen!

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Gegen ein um sich greifendes »Befristungsunwesen« an Hessens Schulen macht die Bildungsgewerkschaft GEW mobil. »Mindestens jede 17. Unterrichtsstunde wird von Lehrkräften mit befristetem Vertrag abgehalten und mindestens jede 25. Unterrichtsstunde von Kräften ohne Lehramtsqualifikation«, kritisiert der GEW-Landesvorsitzende Jochen Nagel unter Verweis auf amtliche Zahlen des Wiesbadener Kultusministeriums.

Der Gewerkschafter will sich damit nicht länger abfinden und fordert die schwarz-grüne Landesregierung auf, den Einsatz befristeter Kräfte auf das absolut notwendige Maß von zwei Prozent zu begrenzen und den mit befristeten Verträgen arbeitenden Kräften spätestens nach zwei Jahren endlich eine unbefristete Beschäftigungsperspektive zu bieten. Dabei sollte auch eine Weiterqualifikation zum Lehramt angeboten werden, erklärt Nagel.

Bei dieser Forderung weiß er die landesweit über 600 Schulpersonalräte hinter sich. Die bei befristeten Verträgen erworbene Praxiserfahrung müsse im regulären Einstellungsverfahren stärker angerechnet werden, unterstreicht der GEW-Mann. »Pädagogische Kontinuität, gleichwertige Angebote für alle Schüler sowie gute Arbeitsbedingungen als Grundlage für gute Arbeit und die Sicherung der Professionsstandards erfordern ein sofortiges Ende des Fristvertragsunwesens.«

Wenn die Lehrerbefristung vor zehn Jahren noch als Randerscheinung galt, dürfte sie inzwischen die Einstellungspolitik des Hessischen Kultusministeriums prägen. So gab es 2013 landesweit über 6000 befristete Verträge für Lehrkräfte an staatlichen Schulen. Auch wenn die Bezahlung inzwischen meistens nicht mehr in den Sommerferien unterbrochen werde, bleibe dies ein Skandal, heißt es in einer GEW-Publikation. Längst gehe es »nicht mehr um eine kurzfristige Vertretung, sondern um die Abdeckung von regulärem Unterricht«.

Die hessische GEW sieht sich in ihrem Engagement durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom Sommer 2012 gestärkt, das die rechtliche Zulässigkeit einer unendlich langen Kette von befristeten Verträgen in Frage gestellt hatte. »Die Befristung eines Arbeitsvertrags kann trotz Vorliegens eines Sachgrunds aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein«, so der Erfurter Richterspruch. »Für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs können insbesondere eine sehr lange Gesamtdauer oder eine außergewöhnlich hohe Anzahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber sprechen.«

Im März 2013 sprach das Arbeitsgericht Gießen in einem von der GEW erstrittenen Urteil von einem »institutionellen Rechtsmissbrauch durch das beklagte Land« und vom »Verstoß gegen Treu und Glauben«. Im Sommer 2013 verlängerte Hessens damalige CDU/FDP-Regierung daraufhin die Verträge vieler befristet beschäftigter Lehrkräfte und verhinderte damit kurz vor der Landtagswahl eine Welle von Klagen. Was die seit einem halben Jahr amtierende schwarz-grüne Landesregierung unternimmt, wenn mit Ablauf des Schuljahrs nun wieder Tausende befristeter Verträge auslaufen, bleibt abzuwarten.

Rückendeckung erfuhr die GEW von den Oppositionsparteien SPD und LINKE. Hessen sei unter den Bundesländern unrühmlicher Spitzenreiter bei Umfang und Anzahl der Fristverträge, kritisiert Bildungspolitikerin Barbara Cárdenas von der LINKEN.

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