Furchtbare Juristen

LESEPROBE

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Einen »furchtbaren Juristen« hatte Rolf Hochhuth den baden-württembergischen Ministerpräsidenten und ehemaligen Wehrmachtsrichter Dr. Hans Filbinger wegen einiger Urteile aus der Kriegs- und Nachkriegszeit genannt. In der darauffolgenden öffentlichen und gerichtlichen Auseinandersetzung - Filbinger stellte Strafantrag, Hochhuth wurde freigesprochen, der Ministerpräsident musste von seinem hohen Amt zurücktreten - fiel Filbingers erstaunt ungläubige Äußerung, dass heute doch nicht Unrecht sein könne, was damals Recht war. Dieser Ausdruck der Unbelehrbarkeit, das Beharren auf der Rechtmäßigkeit der unmenschlichen Justiz des Dritten Reichs, zeigte erst die ganze Furchtbarkeit jenes Juristen und vieler Berufskollegen seiner Generation, denn der Marinerichter a. D. Filbinger war kein Einzelfall. »Die Kaste, aus der sich der deutsche Richterstand rekrutierte«, hatte schon 1927 der Jurist Kurt Tucholsky in der »Weltbühne« seine Erfahrungen mit der Justiz zusammengefasst, »repräsentiert nicht dasjenige Deutschland, das etwa von Goethe über Beethoven bis Hauptmann jene Elemente enthält, um deretwillen wir das Land lieben.« Wer ihm darin zustimmt, womöglich »furchtbare Juristen« für eine Tautologie hält und meint, Justiz müsse zwangsläufig etwas Furchtbares sein, sollte sich jedoch klarmachen, dass das Wort »Justiz« keineswegs den Klang eines Peitschenknalls haben muss, dass es auch im Deutschen einmal als Synonym für Recht und Gerechtigkeit galt und es Zeiten gab, in denen große Teile der Richterschaft sich bemühten, diesen Anspruch einzulösen..

Aus dem Vorwort von Ingo Müller zu seinem neu aufgelegten, 1987 erstmals erschienenen Buch »Furchtbare Juristen. Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz« (Edition Tiamat, 447 S., br.,16 €).

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