Drauflegen bei der »Grumbeere«

Die Kartoffelbauern in Rheinland-Pfalz leiden unter dem Preisverfall

  • Marie Frech, Lambshaim
  • Lesedauer: 4 Min.
Die »Grumbeere«, wie der Pfälzer die Kartoffel nennt, ist nicht nur ein Wirtschaftsfaktor. Wie der Weinbau stiftet sie regionale Identität. Sorgen bereiten aber die Preise.

Ein flüchtiger Blick und so gelb-glänzend wie sie aus der Poliermaschine kommen, könnte man sie fast für Zitronen halten: Die beliebte Solanum tuberosum »Musica« gehört mit ihrem Kaliber von bis zu 65 Millimeter Durchmesser zu dem Dicksten, was die Pfälzer Bauern derzeit zu bieten haben. Der Polierer, der nur mit Bürstchen für Glanz sorgt, ist die neueste Investition beim Gemüsegroßhändler Hans A. Wüst GmbH. »Unsere Optik ist dadurch spitze. Auch wenn der Geschmack toll ist, als Erstes kauft der Kunde nach der Optik«, sagt der für den Ein- und Verkauf der Kartoffeln zuständige Gerald Wüst.

Was im Wüstschen Polierer landet, haben Vertragsbauern im Morgengrauen geerntet und aus einem Umkreis von 50 Kilometer nach Lambsheim gebracht. Haben die Bauern ihre Ware geliefert, wandern die Knollen über das Fließband in die Waschmaschine, die sie vom groben Schmutz befreit. Im »Labor«, einer kleinen Stube, testet eine Mitarbeiterin derweil anhand einer Probe die Kocheigenschaften. Zudem erstellt sie einen Laufzettel, damit die Charge auf den Erzeuger zurückgeführt werden kann.

Zehn bis zwölf Prozent Ausschuss fällt pro Anlieferung an - zwar absolut genießbar, aber der Optik wegen nur für die Industrie geeignet. 15 000 bis 20 000 Tonnen der Gesamternte gehen dann nicht in den Lebensmitteleinzelhandel, sondern landen etwa in Chipstüten. Für die Vorsortierung scannt ein Selektierer jede Knolle nach Größe und unschönen Stellen. Früher haben diese Aufgabe bis zu vier Mitarbeiter übernommen. Die Maschine aber hält auch eine halbe Kartoffel für gute Ware. Deshalb arbeiten in der Endsortierung doch noch bis zu 14 Schichtmitarbeiter. Um bis zu 30 Zeitarbeiter muss Wüst seine rund 110 Stammarbeiter in den Hochzeiten der Saison ergänzen.

Etwa 15 Minuten nach der Lieferung werden Kartoffeln maschinell portioniert und eingetütet. Mitarbeiter verladen die Netze und Säcke. Geht es fix, braucht es knappe 24 Stunden bis die Ware vom Acker in den Supermarkt kommt, wo die Frühkartoffeln bundesweit als »Pfälzer Grumbeere« vermarktetet werden.

Zwar ist die Pfalz nicht der »Kartoffelsack der Nation«, das Land Niedersachsen liegt mit seiner Gesamtanbaufläche ganz vorne. Aber wenn es um die Früh- beziehungsweise Frühlingskartoffeln geht, ist die Pfalz an der Spitze. Woran das liegt, erklärt Gemüsebauer Thomas Amberger aus Maudach: Durch das ausgeglichene Klima sei es schon sehr früh sehr mild. Landwirte haben nur wenig Nachtfrost und wenig Niederschlag zu fürchten. Hinzu kommt der nährstoffreiche, lehmige Sandboden. Der Wüst-Geschäftsleiter spricht gar von »prädestinierten Böden.« Trotzdem müssen die Pfälzer Kartoffelbauern großen Aufwand betreiben. Um die Frühkartoffeln zu ernten, müssen sie schon im Februar oder März pflanzen, teils künstlich beregnen und manche Ackerfolien doppelt legen.

Viel Aufwand, der sich derzeit für den Bauern nicht lohnt. »Die Erzeuger legen momentan drauf«, berichtet Peter Schmitt, der Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Pfälzische Früh-, Speise- und Veredelungskartoffel. Zu dem Verband gehören 308 Landwirte aus der Vorderpfalz und angrenzenden Gebieten. Auf rund 4000 Hektar bauen sie Frühlingskartoffeln an. Hatte die Gemeinschaft 2013 einen Rekordumsatz von 43 Millionen zu vermelden, wird sich die Zahl 2014 wohl auf 16 Millionen belaufen.

Knapp über zehn Euro verdienen sie seit Juli pro 100 Kilogramm Kartoffeln. »Gottseidank renkt sich das im Schnitt der Jahre ein«, ergänzt Schmitt. Die Gründe für den Preisverfall: Viel Importware und gute Witterung, die in der gesamten Republik frühe Ernten ermöglichte, haben für Konkurrenz gesorgt, sagt Schmitt.

Preise hin und her - gerade die Pfälzer begeistern sich für die Knolle. »Immerhin«, erinnert Schmitt, »haben die Pfälzer sogar den Preußen die Kartoffel gebracht!«. Und nach wie vor widmet die Region dem Nachtschattengewächs ganze Feste und Märkte, besingt die Knolle in Liedern und hält in Kochbüchern regionale Spezialitäten wie »Quellmänner mit weiße Kees«, fest. Frühkartoffeln werden seit Juni geerntet. Am 10. August endet die Saison. dpa/nd

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